Sonntag, 19. Dezember 2010

Die Grundantriebe des Lebendigen aus analytisch-existenzieller Perspektive

Andreas Mensch
 
Die menschlichen Triebstrebungen erzeugen bei der Befriedigung am Objekt eine starke Sinnesreizung und bewirken im Bewusstsein eine dominierende Präsenz und Prägnanz. Man könnte auch sagen, dass so etwas wie Bewusstsein oder ein Ich-Empfinden überhaupt erst durch das spürbare Einwirken äußerer aber auch innerer Reize auf den Organismus entsteht, wobei die Reize eine vegetative Stimulation in ihm bewirken, die wahrgenommen werden kann. Alle diese primären körperlichen Strebungen wie die des Dranges nach Berührtwerden, Nahrungsaufnahme, Kotausscheiden, Atmen oder auch Fortpflanzen bewegen sich libidinös vom frisch geborenen Säugling hin zum Objekt, welches diese Bedürfnisse zur Existenzsicherung des Individuums befriedigen soll. Der Organismus ist dadurch zunächst nichts anderes als ein durch und durch libidinös drängendes und nach außen strebendes Bedürfnis, um seine eigene Existenz zu sichern. Damit sind diese Strebungen von Beginn an auch aggressiv (vgl. Mentzos, 2005, S. 26) – im Sinne des Verständnisses von adgredi: an etwas oder jemanden herantretend (vgl. Schultz-Hencke, 1951, S. 33). Treffen diese Strebungen (organismischen Bedürfnisse) dann auf positive Resonanz beim Objekt und werden sie von diesem befriedigt, dann empfindet sich der Säugling durch lustvolle erotische vegetative Stimulation in ihm selbst als angenommen. Dabei wird unter anderem das Bindungshormon Oxytocin im Organismus ausgeschüttet, das für ein Empfinden von Vertrautheit, Entspannung und Sicherheit sorgt (vgl. Brisch, 2010, S. 36). Das Bewusstsein des Säuglings von sich als angenommenes Sein ist zu dieser Zeit tatsächlich noch nichts anderes als dieses rein lustvolle, vegetative und erotische Empfinden im Organismus. In dieser Befriedigung des liebevollen Angenommenwerdens vom Objekt ist der Säugling mit ihm identifiziert und noch psychisch verschmolzen. Er ist sozusagen das befriedigende und versorgende Objekt selbst und bekommt in der Spiegelung dieser Befriedigung ein erstes objektives (somatisch-vegetatives) aus dem Hintergrund der Seinsleere heraustretendes Bild von sich selbst, eine erste Teilselbstrepräsentanz von sich als ein Objekt, mit dem er sich als Subjekt identifiziert. Objekt und Subjekt sind also zunächst dasselbe, was auch erklärt, warum man sich selbst und andere immer wieder unbewusst wie ein Objekt behandelt, obwohl man das Gefühl hat, subjektiv zu sein und auch so zu handeln. Man ist metaphorisch gesprochen sozusagen von Geburt an (und möglicherweise auch schon davor) ein vorerst somatisch-vegetativer und dann auch psychischer ,Abdruck’ seiner versorgenden Bezugsobjekte, die sich wie ,Stempel’ mit ihren Seinsspiegelungen in den Organismus ,einprägen’. Die tieferen Konturen des Stempels allerdings lehnen Strebungen des Säuglings zunächst nur von außen durch die versagende Bezugsperson ab. Dann werden diese Strebungen jedoch ohne das Zutun des Objekts auch bald vom Subjekt selbst an sich abgelehnt. Das äußere ,Stempelprofil’ wird also zu einem verinnerlichten Profil. Die weniger tiefen Eindrücke lassen die Strebungen gewähren und befriedigen sie von außen. Später werden sie aufgrund des verinnerlichten Gewährens auch vom Subjekt selbst befriedigt. Diese grundlegende Prägung füllt die Seinsleere im heranwachsenden Organismus. Das Angenommenwerden vermittelt dem Kind also auf somatisch-vegetativer Ebene ein erstes grundlegendes Gefühl, gut und liebenswert zu sein. Dagegen erzeugen einige andere Bedürfnisstrebungen in vegetativer Hinsicht eine aggressive und bisweilen schmerzhafte, unlustvolle Ablehnung vom Objekt, da sich dieses womöglich von den aggressiven Strebungen des Säuglings überfordert oder gar verletzt fühlt. Das Zielobjekt weist diese Strebungen aggressiv zurück, verweigert deren Befriedigung und lehnt sie teilweise oder gänzlich ab. Der Säugling empfindet hierauf in seinen vom Objekt abgelehnten Strebungen sowohl sich selbst als auch das ablehnende Objekt als aggressiv und existenziell bedrohlich und verinnerlicht hierbei das Empfinden, grundlegend böse und gefährlich zu sein. Auch dieses Empfinden grundlegender Ablehnung und Zurückweisung besteht zunächst nur aus schmerzvollen vegetativen Stimulationen, die von den aggressiven und zurückweisenden Reizen der Umweltobjekte ausgehen und auf den Organismus des Säuglings und des Kleinkindes einwirken. Inwieweit jedoch die verinnerlichten aggressiven Zurückweisungen und entsprechenden unerwünschten Selbstanteile dann aber existenziell bedrohlich für das erotische Empfinden des grundlegenden Gut-seins sind, hängt von der primären positiven Zuwendung der Bezugswelt des Menschen ab. Je positiver und tiefgreifender die primäre Zuwendung ist, desto weniger stark erfolgt die Spaltung des grundlegenden Selbst. In diesen gegensätzlichen positiven und negativen Reaktionen des Zielobjektes und in dem hierauf folgenden somatisch-vegetativen Empfinden grundlegend gut und böse zu sein, bildet der Säugling seine primären gespaltenen Selbst- und Objektrepräsentanzen (primäre Seinsentwürfe) aus. Es bildet sozusagen aus der Resonanz seiner Umwelt auf seine Impulse ein bewertetes Bild von sich aus; eine Art Reflexion von seinem Selbst. Mit erotischer Befriedigung und aggressiver Versagung werden auch die in der Situation befindlichen Umweltreize sinnlich wahrgenommen und an das positive oder negative Erlebnis an die jeweilige Triebstrebung unbewusst prägend gekoppelt. So können bestimmte Gerüche, Geräusche, Geschmäcker, Farben und ähnliches diese frühen und zunächst noch rein somatisch-vegetativen Entwurfanteile mit ihren starken positiven oder negativen emotional-vegetativen Komponenten regressiv mobilisieren (triggern). Beide Qualitäten, sowohl das lustvolle erotische (libidinöse) als auch das unlustvolle aggressive (antilibidinöse) Streben, führen zu einem ausgeprägten Spüren der eigenen Grenzen und des eigenen Seins über somatisch-vegetative Reizungen, die prälogisch im Bewusstsein erfasst und dann (Zeit des Sprechens, der Symbolisierung, der sekundären Denkvorgänge) zu einem Teil des Unbewussten werden. Schlussfolgernd erweisen sich damit frühkindliche Triebstrebungen mit ihrer Fähigkeit, den ganzen Organismus sinnlich sowohl lustvoll erotisch als auch unlustvoll aggressiv zu reizen und dadurch das Bewusstsein zu bündeln, als optimal zur Ablenkung von dem Empfinden innerer existenzieller Leere. Der noch psychisch ,leere’ und nur mittels seiner objektgerichteten Triebstrebungen mit der Umwelt Kontakt aufnehmende Säugling braucht zunächst auf somatischer Ebene feste Bezugspunkte in der Umwelt als primäre Triebziele, um sich in der Interaktion seiner Strebungen mit den Bezugsobjekten selbst als physisch und später auch psychisch reflektierend seiend zu spüren, also als ein existierendes Objekt. In den Triebstrebungen zum Objekt nimmt das Individuum sozusagen einen interindividuellen Kontakt zwischen sich (als Subjekt) und der Welt (als Objekt) auf, was wiederum ein primäres In-Situation-sein bedeutet (vgl. Sartre, 2006, S. 833 ff, 905). In dem Triebvollzug, in dem alle Sinne stark gereizt werden und sich das Individuum physisch wahrnimmt, wird der Säugling zunächst physisch vom Bezugsobjekt als existierend gespiegelt. Wenn im weiteren Verlauf der Ontogenese einige Triebstrebungen des Subjekts durch Zurückweisung derselben aus der Umwelt zunehmend vom Subjekt selbst unterdrückt werden müssen, um von seiner Umwelt dennoch als liebenswert empfunden zu werden, kommt es allmählich zu einer Ausdifferenzierung der Triebstrebungen in solche, die lustvoll erotisch vom Objekt verstärkt und angenommen werden (als positives Selbstbild bewertet) und andere, die vom Objekt aggressiv zurückgewiesen, abgelehnt und dadurch unterdrückt werden (als negatives Selbstbild). Je nachdem, welche Triebstrebungen durch das Zielobjekt verstärkt (erotisch angenommen) oder gehemmt (aggressiv abgelehnt) werden, kommt es zunächst auf somatisch-vegetativer Seinsebene einerseits zu einer erotischen Besetzung einiger Triebstrebungen und andererseits zu einer aggressiven Besetzung wiederum anderer Triebstrebungen. Diejenigen Strebungen, welche vom Objekt abgelehnt werden, erzeugen beim Subjekt sowohl gegenüber dem Objekt als auch sich selbst aggressive somatisch-vegetative und emotionale Erregungen (später Scham). Dagegen verursachen die vom Subjekt ausgehenden und vom Objekt angenommenen Bedürfnisstrebungen gegenüber dem Objekt und dem Subjekt selbst erotische somatisch-vegetative und emotionale Erregungen (später Lust). Beide diametralen Erregungen erzeugen im Kontakt mit der Umwelt ein starkes sinnliches Seinsgefühl. Jedoch werden die ursprünglich neutralen organismischen Strebungen von nun an in positiv (mit Zuwendung belohnt) und negativ (mit Versagung bestraft) bewertete Selbstbilder (Reflexionen) gespalten. In der Konsequenz des liebevollen Annehmens erotischer Strebungen durch die Umwelt werden diese Strebungen unbekümmert und viel Sein versprechend auf das Bezugsobjekt gerichtet. Dagegen müssen die abgelehnten aggressiven Strebungen wegen ihrer vermeintlichen Gefährlichkeit für das Bezugsobjekt von diesem teilweise oder ganz weg und autoaggressiv auf den Säugling zurück gelenkt beziehungsweise vollständig unterdrückt werden, was zu einer emotionalen und somatisch-vegetativen Einengung im Organismus führt und später zu einem tiefen existenziellen Zweifel am grundlegenden Gut-sein. Diese Rückwendung abgelehnter aggressiver Triebstrebungen durch den reflektierenden und über das positive Selbstbild wachenden eigenen Organismus bildet die primäre verwehrende und abwehrende Objektrepräsentanz im Organismus. Dabei werden die abgelehnten Strebungen genau in der Quantität und Qualität vom Subjekt selbst gegen das Subjekt zurückgelenkt, so wie diese zuvor vom versorgenden Objekt zurückgewiesen wurden. Der Organismus wendet diese versagten Strebungen nun zunächst wieder rein somatisch-vegetativ selbständig gegen sich selbst und bildet somit eine verinnerlichte versagende und aggressive Objektrepräsentanz der Bezugsperson in sich aus, welche den Organismus in einer bestimmten Weise eingrenzt. Aus diesem verinnerlichten Eingrenzen entsteht dann auch ein grundlegendes abgelehntes Empfinden von sich selbst, eine negative Subjektteilrepräsentanz. Die erotischen Strebungen dagegen, die vom Objekt angenommen werden, führen zu einer Verinnerlichung des versorgenden, gewährenden und annehmenden Objekts der Bezugsperson im Organismus und damit auch zur Ausbildung einer primären gewährenden Objektteilrepräsentanz. Diese verinnerlichte gewährende Objektrepräsentanz wiederum lässt nun innerseelisch die Triebstrebungen gewähren und verleiht dem Organismus dadurch ein grundlegendes angenommenes und erotisches Empfinden von sich selbst, die positive Subjektteilrepräsentanz. Die Verinnerlichung der Versagung oder Gewährung von komplexen organismischen Strebungen führt also letztlich zur grundlegenden Ausbildung von sowohl Objekt- als auch Subjektrepräsentanzen, wobei die verinnerlichten Objekte die Subjektrepräsentanzen stellvertretend für die realen Bezugspersonen kontrollieren, überwachen und behandeln. Die verinnerlichte und als aggressiv erlebte versagende Bezugsperson unterdrückt sozusagen intrapsychisch aggressiv die von ihr einst aggressiv zurückgewiesenen Strebungen. Entsprechend fördert die als gewährend erlebte verinnerlichte Bezugsperson die von ihr einst gewährten Strebungen auch intrapsychisch.                                                                       

Wie Reich (2006, S. 405 ff, 418 ff) feststellte, werden die verwehrten Triebstrebungen durch ihre eigene vegetative Triebenergie teilweise gegen das Subjekt selbst zurückgelenkt. In dieser ersten Zurücklenkung von Strebungen gegen sich selbst und deren Gewährung verinnerlicht der Säugling ein erstes ambivalentes somatisch-vegetatives Bild von sich und entwickelt so ein grundlegendes, spürbares, vegetatives Bewusstsein von sich selbst. Wird jedoch der Kontakt zur Umwelt durch eine mangelnde Verfügbarkeit des Bezugsobjekts unterbrochen, dann kommt es zum Auftreten einer existenziellen Seinsleere (Sinnleere) und damit zu einem Empfinden einer physischen und psychischen Auflösung (Nichtung). Dann muss sich der Organismus mittels seiner Bedürfnisstrebungen autoerotisch oder autoaggressiv selbst stimulieren, indem er seine Strebungen auf sich selbst zurücklenkt, als wäre er das Bezugsobjekt (Teilobjektrepräsentanz), aus welchem heraus er sich als Subjekt (Teilsubjektrepräsentanz) behandelt. Die zuvor nur seitens des Objektes erfahrene erotische und aggressive intersubjektive Kontaktaufnahme wird hierdurch zu einer erotischen und aggressiven intrapsychischen Kontaktaufnahme der verinnerlichten Teilobjektrepräsentanzen mit den Teilsubjektrepräsentanzen. Damit wird der eigene Organismus wie ein Objekt liebevoll autoerotisch oder entwertend autoaggressiv behandelt. Empfand sich das Individuum zuvor überwiegend als positiv und erotisch vom Objekt gespiegelt, dann behandelt es sich jetzt selbst ohne Objekt ebenfalls als gut und erotisch. Wurde es dagegen eher negativ als aggressiv und gefährlich gespiegelt, behandelt es sich nun bei Kontaktabbruch ohne das reale Objekt ebenfalls als böse und aggressiv. In seiner Interaktion mit der Objektwelt erhält das Subjekt ein aus dem Blickwinkel des Objektes erfahrenes Bild von sich selbst, verinnerlicht dieses als Teilsubjektrepräsentanz und behandelt sich selbst schließlich auch entsprechend diesem Bild. In der Verinnerlichung sowohl des behandelnden Bezugsobjektes (Objektrepräsentanz) als auch des in der Behandlung von ihm empfundenen Bildes von sich selbst (Subjektrepräsentanz) verankert das Individuum grundlegende Betrachtungsweisen sowohl von seiner Umwelt als auch von sich selbst. Man könnte diese primären Teilobjekt- und Teilsubjektrepräsentanzen auch als primäre Seinsentwürfe bezeichnen. Der Organismus behandelt dann nicht nur sich selbst in der Weise, wie er zuvor vom realen Objekt behandelt wurde, sondern er behandelt nunmehr seine gesamte belebte und unbelebte Umwelt nach diesem Bild des einst realen und nun verinnerlichten Objektes, welches stellvertretend für alle äußeren Objekte steht, da es den ersten und prägenden Bezug zur Außenwelt überhaupt darstellt. Bricht der Kontakt zur Umwelt also ab, behandelt sich der Mensch selbst und seine unbelebte Umwelt in der Weise, wie er zuvor anhaltend von den Bezugsobjekten bezüglich seiner Triebstrebungen behandelt und gespiegelt wurde. Das Subjekt geht mit sich selbst demnach autoerotisch und/oder autoaggressiv in Kontakt. Sowohl im Falle eines realen Beziehungsabbruchs zwischen dem Subjekt und seinem versorgenden Objekt als auch im Falle eines innerseelischen Kontaktabbruchs zur Außenwelt durch zu viele gehemmte, unterdrückte und zurückgelenkte aggressive Triebstrebungen kommt es zur empfundenen Auflösung und Fragmentierung eines beständigen psychischen Seinsempfindens. Die Kontaktaufnahme mit sich selbst und der Umwelt soll also das Empfinden des absoluten (voll, ganz, gut) und angenommenen Seins ermöglichen. Bei Beziehungsabbruch erlernt also das Individuum, sich selbst mittels bestimmter Bedürfnisse autoaggressiv oder autoerotisch in einer bestimmten Kombination dieser beiden Strebungen zu stimulieren und physisch-psychisch sein zu machen. Später werden diese libidinösen und antilibidinösen Strebungen zunehmend mit logisch-kognitiven Inhalten angereichert, überbaut und zu einem komplexen Selbstbild geformt. Diese Bestrebungen und ihre kognitiven Überbauten bilden grundlegende und immer mehr ausdifferenzierte existenzielle Seinsentwürfe aus einer zuvor rein somatisch-vegetativen Existenzebene. Die fragmentarischen Teilrepräsentanzen werden zu ganzen Repräsentanzen. Werden die Seinsentwürfe später in der weiteren kortikalen Reifung des Individuums durch das reflexive Cogito (verinnerlichte bewertende Teilrepräsentanzen) reflektiert, offenbaren sich diese Teilidentitäten als bloße Entwürfe. Das Ich – das Bewusstsein des Empfindens somatisch-vegetativer erotischer oder aggressiver Spannung und später auch des Denkens von Selbstkonzepten – verliert sozusagen den Kontakt (In-Situation-sein) zu seiner Identität, seinem Entwurf, wodurch es sich selbst zu nichten und aufzulösen droht. Dabei empfindet das Ich keine feste und definierte Existenz und gerät in eine existenzielle Leere ohne Seinsentwurf – eine fundamentale Entzweiung zwischen reflektierendem, bewertendem Bewusstsein (entwerfende Instanz) und dem bewerteten Selbst (Entwurf) – woraufhin es somatisch-vegetativ mit einem kompensatorischen Ausgleich des Empfindens von Seinsverlust und Auflösung der Existenz reagiert. Das Individuum kann also, ja nach Kohärenz der Selbstrepräsentanzen, in der Selbstreflexion regelrecht den Kontakt zu seinen Seinsentwürfen durch die Offenbarung derselben als solche verlieren und damit auch das Gefühl für seine Existenz. Der Organismus versucht sich dann auf prälogische, somatisch-vegetative Art zu spüren und wechselt in den autoerotischen oder auch autoaggressiven Modus, um hierdurch Spannung in der Seinsleere zu erzeugen und so den Organismus sinnlich und spürbar lustvoll oder schmerzhaft zu reizen. Um genau diese somatisch-vegetative Spannung im Bewusstsein geht es letztlich im Sein. Sie wird durch die existenzielle Angst in der Seinsleere der Selbstreflexion oder des Beziehungsabbruchs zum Objekt erzeugt, indem sie sofort bei ihrem Auftreten in somatisch-vegetative Spannung (primäres Sich-in-Situation-begeben) umgewandelt wird. Diese Spannung und ihre darauf folgende Lösung im autoerotischen oder autoaggressiven Kontakt mit dem eigenen Organismus erzeugen ein ähnliches Seinsgefühl wie der reale erotische oder aggressive Kontakt mit der Umwelt. Wird später beispielsweise der lustvolle und erotisch angenommene somatisch-vegetative Seinsentwurf angezweifelt oder genichtet, tritt, von existenzieller Angst getrieben, sofort der unlustvolle und aggressiv abgelehnte somatisch-vegetative Seinsentwurf an seine Stelle. Der Organismus kann sich also besonders leicht und intensiv durch das Ausleben eigentlich objektgerichteter Strebungen an sich selbst stimulieren und dadurch spürbar Sein machen. Er geht mit sich selbst in Kontakt, statt mit der Umwelt. Auch später macht sich der Mensch diese physische Form der Ablenkung vom Nichtseinskomplex weiterhin zunutze, wenn er durch sein zunehmendes kognitives Vermögen, sich mittels seines reflexiven Cogitos selbst in seinem Sein zu hinterfragen, existenzielle Angst vor Leere verspürt. Aus den ursprünglich rein triebhaften somatischen Hemmungen (du bist böse; ich bin böse) und Verstärkungen (ich bin gut; du bist gut) werden durch die fortschreitende kortikale Reifung allmählich regelrechte aggressiv-hemmende (schmerzhaft) und erotisch-verstärkende (lustvoll) kognitive Leitsätze (Ge-und Verbote). Der Mensch erlernt also mit seinen biologischen objektgerichteten Triebstrebungen der frühen Ontogenese und ihrer positiven sowie negativen Spiegelung durch die Umwelt ein bestimmtes individuelles Seinsgefühl, sein grundlegendes Bild von sich selbst und seiner Umwelt, nach dem er dann sich und seine Umwelt behandelt, um sich als Sein zu spüren. Damit geht die individuelle Art und Weise einher, angstbedingte Spannung der psychischen Leere auch ohne reale Objekte auf somatischer Ebene abzubauen und sich so zu beruhigen. Mit der Verinnerlichung des Konfliktes zwischen angenommenen erotischen und unterdrückten aggressiven Triebimpulsen verinnerlicht der Säugling zunächst auf rein somatisch-vegetativer Ebene das Bezugsobjekt, welches diesen Grundkonflikt ebenfalls in sich trägt und dadurch auch auf den Säugling überträgt. Der Mensch greift dann auch später bei empfundenen existenziellen Ängsten wie Furcht vor Verlassenheit, Vereinzelung, Sinnlosigkeit und letztlich dem Nicht-sein immer wieder auf diejenigen Strebungen zurück, die ihm im Säuglings- und Kindesalter die größte Seinsbestätigung und folglich Ablenkung von existenzieller Angst ermöglicht haben. Auf einer späteren logischen und differenzierteren psychischen Entwicklungsstufe sind die angenommenen und abgelehnten Entwurfanteile dann bereits klarer und vielfältiger voneinander abgegrenzt, was ein Projizieren der Existenzangst in Form verschiedener Phobien in die Umwelt ermöglicht (isolierte statt diffuser und generalisierter Angst). Alle späteren Formen von Angst werden sich immer auf diese primäre Angst des Nicht-seins zurückführen lassen! Man kann also festhalten, dass der Säugling den Kontakt zum versorgenden Objekt existenziell benötigt, um sich zu spüren. Vor und unmittelbar nach der Geburt empfindet das Individuum wahrscheinlich zunächst noch keinen Unterschied zwischen sich selbst als Subjekt und der Bezugsperson beziehungsweise deren gesamte Welt als Objekt. Es ist fest und sicher in die somatischen Grenzen der Mutter (Uterus, Brust, Arme) verwoben und eingebettet, was gemeinhin den Zustand des primären Narzissmus bezeichnet. Wacht das Kind jedoch in seinem noch sehr physisch geprägten Bewusstsein auf und sieht es sich ohne körperliche Beziehung (Soma und Psyche sind noch nicht voneinander differenziert) mit der versorgenden Bezugsperson in eine physische und psychische Leere der Welt geworfen, wird es sogleich von tiefer diffuser Existenzangst des Nichtseins ergriffen und überflutet. Sofort regen sich in ihm in seiner diffusen Existenzangst die sinnlich reizenden Triebstrebungen, die sich in physischer und psychischer Spannung offenbaren. Das Seinsgefühl wird vermittelt, wenn die lustvolle erotische oder schmerzhafte aggressive Spannung entweder zum äußeren realen Objekt oder aber auch zum inneren Selbstobjekt gerichtet wird, um sich an dessen Grenze im Kontakt mit diesem zu entladen und so Befriedigung zu erlangen. Befriedigung bedeutet, dass man sich selbst als ein gutes und angenommenes Sein im primär-narzisstischen Zustand empfindet, bis es durch ein Gegenüber (interpsychischer realer Kritiker) oder das reflexive Cogito (verinnerlichter innerpsychischer Kritiker) erneut infrage gestellt wird und wieder eine diffuse Leere sowie Existenzangst auftreten, die abermals in Spannung und Entladung münden. Im Beziehungsabbruch (kein In-Situation-sein mehr) versucht sich das Individuum also selbst das Gefühl zu geben, voll von Sein (An-sich) zu sein (vgl. Sartre, S. 1048 ff). Dabei behandelt es sich unbewusst teilweise selbst wie ein geliebtes oder gehasstes Objekt, das zuvor seine Bezugsperson war, und umschließt oder attackiert sich physisch, um seine ohne das Objekt empfundene Seinsleere zu beseitigen. Die Bezugsperson wurde, bezogen auf die Triebstrebungen des Kindes, sowohl als ein erotisches, lustvolles und liebendes als auch als ein aggressiv, schmerzendes und gehasstes Objekt in das Subjekt des Säuglings verinnerlicht und dort als ein erstes grundlegend in Gut und Böse gespaltenes Introjekt psychisch verankert. Mit der Verinnerlichung der sich widersprechenden Bezugsperson in versorgend (physisch/ psychisch voll sein und geliebt werden) und versagend (physisch/ psychisch leer sein und gehasst werden) wurden zwei grundlegende Teilentwürfe physisch und psychisch im Subjekt verinnerlicht. Gut (libidinös) und Böse (antilibidinös) werden so von einem intersubjektiven zu einem intrasubjektiven und in der späteren Beziehungsgestaltung erneut zu einem intersubjektiven Konflikt. In der Versagung durch die Umwelt ist das zunächst omnipotente primär-narzisstische Seinsgefühl, in welchem sich das Kind absolut entspannt spürt, bedroht. Es kommt zur beschriebenen Rückwendung objektgerichteter Bedürfnisstrebungen gegen sich selbst und zu einer autonomen sowie von der Außenwelt scheinbar unabhängigen Ersatzbefriedigung am eigenen Körper. Das Urvertrauen des Säuglings in die Welt, in den primären Narzissmus und damit in das bedingungslose Seindürfen, erfährt so eine erste tiefe Erschütterung. Um es noch einmal zu betonen: Die erotischen und aggressiven Triebstrebungen suchen sich regressiv ein Ersatzobjekt oder eine Befriedigung am Subjekt selbst stellvertretend für das reale Objekt, welches die Strebungen zurückweist oder ganz aus der Beziehung tritt (vgl. Fairbairn, 2007, S. 89 ff). In diesem Fall kommt es zur Selbststimulation am Introjekt statt zur Stimulation am ursprünglichen Zielobjekt. Die Selbststimulation ist letztlich nichts anderes als ein zunächst auf somatischer Ebene unbewusst Seinsempfinden verschaffendes Sich-in-Situation-begeben. In diesem Kontakt mit sich selbst behandelt man sich teilweise wie ein Objekt, auf welches die Triebstrebung abzielt. Die Folge ist, dass die diffuse Angst vor Leere und Auflösung von der psychisch noch undifferenzierten somatisch-vegetativen Bewusstseinsebene aus in einer somatisch-vegetativen (muskulären) erotischen oder aggressiven Spannung gehalten und dort verfestigt wird, um ihr lähmendes psychisches Empfinden zu verhindern (vgl. Reich, 2006, S. 449 ff). Diejenigen Triebstrebungen und ihre späteren dazugehörigen psychischen Entsprechungen, welche am stärksten in der Beziehung zur Bezugsperson befriedigt und versagt bleiben, bestimmen die beobachtbare Selbststimulation sowie die ambivalente Beziehungsgestaltung mit den Objekten in weiten Teilen der späteren Lebensbereiche (vgl. Mentzos, 2005, S. 42 ff). Die hierdurch entweder progressiv auf das Objekt hin oder regressiv auf das Subjekt zurückgelenkten organismischen Strebungen sind also deutlich im alltäglichen Umgang mit sich und anderen erkennbar. Man verinnerlicht sozusagen in der Anpassung an das verstärkende und versagende Objekt dessen erotische Ge- und aggressive Verbote als stark ambivalente Selbst-Objekt-Dyaden (vgl. Kernberg, 1998, S. 98 f.). Der Säugling bildet in sich demnach unbewusst einen ersten sich selbst widersprechenden Seinsentwurf, der einerseits zu Teilen von der Bezugsperson erwünscht und andererseits zu Teilen von dieser unerwünscht und dadurch letztlich grundlegend in Gut und Böse gespalten ist. Die Art und Weise der Betonung (Bewertung) früherer Triebstrebungen und ihrer psychischen Überbauten durch primäre Bezugsobjekte bestimmt damit den späteren Umgang sowohl mit äußeren als auch mit introjizierten Objekten (Introjekten). Die introjizierte sanktionierende und belohnende Bezugsperson wird zum Bestandteil der eigenen Psyche und stellt auch innerhalb derselben die abwehrende (erotisch verstärkende oder aggressiv unterdrückende) Instanz dar, zu der man aber inzwischen selbst geworden ist. Der geschilderte Vorgang der Introjektion darf jedoch nicht als ausnahmslos pathologisch aufgefasst werden. Vielmehr bildet er die Grundlage der Identität aller Individuen und ist die logische Konsequenz eines normalen Sozialisationsprozesses. Das individuelle Ausmaß der inneren Spaltung der Introjekte hängt jedoch letztendlich von der Qualität und Quantität der Sozialisation ab. Die durch die Psychoanalyse beschriebenen phasentypischen Bedürfnisse (vgl. Abraham, 1999; Reich, 2006, S. 220 ff) und ihre teilweise sozialisationsbedingte Rückwendung gegen das Subjekt selbst bilden sozusagen in sich ambivalente Grundentwürfe, die den grundlegenden Kampf des Individuums gegen seine innere Seinsleere und gegen sein Nicht-sein verdeutlichen. Diese im Verhalten sichtbare individuelle Kombination aus akzeptierten und verbotenen Impulsen sowie der unentwegte Versuch, trotz innerer Spaltung und abgelehnter Impulse ein Empfinden des unbedingten Gutseins zu erhalten, bilden seit frühester Kindheit die ambivalente (angenommene Strebungen werden erotisch verstärkt/ abgelehnte Strebungen werden aggressiv unterdrückt) Abwehr des Nichtseinskomplexes und damit die grundlegende Persönlichkeits- oder Charakterstruktur. Man ist also im Grunde die einzigartige Kombination der Summe aller verinnerlichten Objektbeziehungen seines Lebens. Die Struktur wird somit als Folge der Verinnerlichung frühester ambivalenter Objektbeziehungen angesehen (vgl. Fairbairn, 2007, S. 205 ff). Die Struktur bewährte sich lange Zeit mit ihrer scheinbaren Unabhängigkeit von der Seinsspiegelung durch reale Objekte mittels spezifischer individueller Selbststimulation als optimal zur Abwehr gegen den Nichtseinskomplex. Hierauf greift das Individuum jederzeit wieder vom psychischen auf den somatischen Inhalt regressiv zurück, sollte das Seinsgefühl neuerlich versagt bleiben.                                  

Alle Triebe entspringen einem gemeinsamen grundlegenden (primär-narzisstischen) organismischen Identitätsstamm, in dem alle Triebstrebungen noch unbeschränkt existieren dürfen. Von ihm aus wird der noch einheitliche Grundentwurf zur Erlangung positiver Spiegelung durch Verwehrung derselben in sich widersprechende Partialentwürfe oder Teilrepräsentanzen (schizoide Disposition) gespalten, ähnlich einem Baum, der sich in seinem Wachstum seiner Umwelt anpasst und im Zweifelsfall lieber geteilt um das Hindernis herum wächst, statt einheitlich vernichtet zu werden, auch wenn seine Äste dabei getrennte Wege einschlagen müssen und hierdurch geschwächt werden . Mit dieser primären Spaltung in einen guten und einen bösen Partialentwurf geht auch sofort die Verinnerlichung der bewertenden, reflektierenden und überwachenden Instanz einher, die den Kontakt, trotz Vorhandenseins eines Gegenübers, durch ein endloses Kreisen über das Subjekt selbst erschweren kann, statt den Kontakt als erotisches oder auch aggressives Selbst unbewertet und ungebremst zuzulassen. Bevor jedoch ein Selbst in erotisch oder aggressiv gespalten wird, sind seine Erfahrungen zunächst unreflektiert somatisch-vegetativ bewusst und implizit-formal (aus Sicht des explizit-deklarativen Denkens unbewusst). Es werden also zuerst präreflexive Subjekt-Objekterfahrungen gemacht, die später von den weiteren verinnerlichten Erfahrungen reflektiert werden. Das unreflektierte präreflexive Cogito stellt also die Funktion eines reflektierenden Ichs dar (Bewusstsein). Fairbairn (2007, S. 166 ff) geht von der Annahme aus, dass den ambivalenten Introjekten ein sogenanntes ungespaltenes zentrales Ich gegenübersteht (in der Gestalttherapie würde man eher von einer Funktion – dem Selbst – sprechen als von einer Instanz). Die Introjekte können sowohl hinsichtlich der Quantität als auch der Qualität der Besetzung der gespaltenen Selbstanteile, je nach Umwelterfahrungen, sehr verschieden sein. Bei einer grundlegenden Erfahrung des organismischen Angenommenseins beispielsweise wird die Spaltung des frühen Selbst deutlich geringer tiefgreifend stattfinden. Bei negativen Grunderfahrungen geschieht natürlich eine tiefgreifende bis hin zu vollständige Selbst-Spaltung, die sämtliche Bereiche des Selbst betreffen kann. Das präreflexive Cogito (Ich) besetzt dann abwechselnd, je nach äußerer Spiegelung (positiv bedeutet Beziehungs- und Existenzerhaltung; negativ bedeutet Beziehungs- und Existenzabbruch), immer entweder nur das erregende oder das versagende Introjekt und ist mit diesem identifiziert. Wird man negativ von den Menschen seiner Umwelt gespiegelt, besetzt das Ich als differenzierende und integrierende psychische Funktion auch das Introjekt negativ und behandelt den Organismus autoaggressiv. Wird man dagegen positiv gespiegelt, besetzt das Ich den grundlegenden positiven Entwurf (Introjekt) und behandelt den Organismus autoerotisch. Fehlt ein Kontakt gänzlich, dann hängt die innere Besetzung des Introjekts von dessen Dominanz ab. Ein gewisses Maß an therapeutischer Selbsterfahrung kann diesen sich widersprechenden Selbstanteilen, besonders den unterdrückten Anteilen, vielleicht ein stützendes alternatives Hilfs-Ich zur Verfügung stellen. Dieses vermag jedoch meines Erachtens höchstens die enorme Einseitigkeit und Ausprägung beider Selbste abzuschwächen, nicht jedoch vollständig auszulöschen. Eine gänzlich unabhängige, neutrale und überschauende Ich-Instanz bildet dieses Hilfs-Ich demnach keineswegs. Die menschliche Existenz ist also ab der Geburt grundlegend durch ein gewisses Maß dieser inneren Spaltung und Ambivalenz der Bewertungen gekennzeichnet, wenngleich das genaue Ausmaß der Spaltung, und damit die psychische Gesundheit, individuell sehr verschieden sein kann. Um noch einmal zur Verdeutlichung das Beispiel mit dem Baum und seinen Ästen heranzuziehen: An der Stelle der Aufgabelung der ersten Äste vom Stamm befinden sich die grundlegende gespaltene Anpassung an das Objekt und seine Welt sowie die damit einhergehende Abwehr gegen das Gewahrwerden von Leere, Vereinzelung und Sein zum Tode (vgl. Hügli/Han, 2001, S. 138). Bis zur Aufgabelung existiert ein organismisches unreflektiertes Ich (präreflexives Cogito/ Für-sich). Hiernach reflektiert dieses jedoch als Funktion weitere Selbstanteile (An-sich) und besetzt oder bekämpft sie und hinterfragt somit die psychische Existenz des Organismus. Dies ist auch die Grundlegung der schizoiden Disposition, in welcher sich das Subjekt aufgrund zu vieler unterdrückter autoaggressiver Strebungen gegenüber seiner Umwelt als grundlegend anders, von ihr getrennt und abgelehnt empfindet (vgl. Fairbairn, 2007, 89 ff).                                                                      

Mit den subjekt- oder ersatzobjektgerichteten Triebstrebungen sind meist typische beobachtbare Objektbeziehungsmuster verbunden, die unten kurz idealtypisch umrissen werden sollen. Die nach Schultz-Hencke (1951, S. 16 ff) bezeichneten und von Klußmann (1998, S. 9 ff) sowie Wunderlich (1996, S. 38 ff) erweiterten Phasen (Neurosenarten) stellen jeweils eine ganz spezifische Form solcher Objektbeziehungsmuster als Abwehr des Empfindens der Seinsversagung beziehungsweise des Nichtseinskomplexes dar. Das Ziel dieser im Charakter eines jeden Menschen beobachtbaren Abwehrmechanismen ist die Aufrechterhaltung des Empfindens eines grundlegenden Gut-, Liebenswert- und Angenommenseins. Man will um jeden Preis von seiner sozialen Umwelt zunächst somatisch und später auch emotional versorgt werden. Da die frühesten Beziehungen zur Umwelt noch an grundlegende Bedürfnisbefriedigungen beziehungsweise Triebbefriedigungen durch die Außenwelt zur Überlebenssicherung gekoppelt waren, haben die primären und nur präverbal erfassbaren Erfahrungen (unzureichende kortikale Reifung, zu wenig Umwelterfahrungen und folglich fehlender psychischer Niederschlag derselben) einen existenziell stark drängenden Charakter auf subkortikaler unbewusster Ebene. Sartre nannte den noch primär auf Triebstrebungen basierenden und sich später symbolisch ausdrückenden Entwurf den ,Seinsentwurf’ (2006, S. 970). Auf den primären Narzissmus (noch keine Spaltung des organismischen Selbst in erotisch und aggressiv) folgt dann zeitlich die schizoide Phase, in welcher das Subjekt auf Grenzen und Zurückweisungen bezüglich der Versorgung von Triebbedürfnissen in der Umwelt trifft. Das Kleinkind erfährt sich sozusagen als begrenzt und auf sich selbst zurückgeworfen. Um dieses Empfinden zu lindern, reflektiert und bewertet es sich, um dem erwünschten Idealbild zu entsprechen, indem es versucht, sich kompensatorisch seine Triebbedürfnisse selbst zu befriedigen und sich dadurch selbst sein zu machen. Dabei zieht es sich vom Objekt in sich selbst zurück und wird wiederkehrend von dem Empfinden heimgesucht, grundlegend anders als die Umwelt zu sein und nicht dazuzugehören. Im weiteren Entwicklungsverlauf folgen dann immer mehr von den Triebbedürfnissen entkoppelte Seinsbedürfnisse wie die der emotionalen Versorgung durch die Gemeinschaft, der Selbstbehauptung und Abgrenzung von anderen oder auch der sexuellen Attraktivität, der Selbstwirksamkeit und des Erhaltens von Anerkennung und Bewunderung. Später verinnerlicht der Mensch auf kognitiver Ebene auch Seinsspiegelungen verbaler und kognitiver Art (was man über ihn sagt oder denkt). Sind die primären Kontaktaufnahmen des Individuums mit seiner Umwelt zunächst überwiegend triebhaft-somatisch und emotional-vegetativ (prälogisch unbewusst), werden die späteren Kontakte hingegen zunehmend verbal-kognitiv (logisch bewusstseinsfähig) und bauen auf den somatischen Erfahrungen der früheren Kindheit auf beziehungsweise bilden ein psychisches Gleichzeitigkeitskorrelat zu den somatischen Subjekt- und Objekterfahrungen (vgl. Schultz-Hencke, S. 272 ff). Das bedeutet, dass in der Psyche nicht nur weiterhin grundlegende Triebstrebungen verankert bleiben, die zwischen erwünschten und unterdrückten Teilsubjektrepräsentanzen gespalten sind, sondern im weiteren Reifungsprozess zunehmend auch gespaltene kognitive Selbstentwürfe (Selbstkonzepte, Schemata (vgl. Arbeitskreis OPD, 2006, S. 97 f.)) hinzukommen. Die kognitiv komplexeren Teilsubjektrepräsentanzen bleiben jedoch ein Leben lang von den emotional-vegetativen Repräsentanzen sichtbar eingefärbt und bilden so einen erkennbaren psychischen Niederschlag von den primären somatischen Bedürfnissen (vgl. Klußmann, 1998, S. 23). Entsprechend dieser Interaktionen sowie der daraus resultierenden erotischen (angenommenes Sein) und aggressiven (abgelehntes Sein) Selbst- und Objektrepräsentanzen werden dabei auch die psychische Stabilität und Flexibilität des Individuums von der primär-narzisstischen Wurzel an grundgelegt. Wenn man nun aus dem Vorherigen den Schluss ziehen kann, dass sich das Subjekt nur in dem Ausmaß als liebevoll, gut und angenommen empfinden kann, in welchem es in seinen primären Strebungen als lustvoll, erotisch und befriedigend vom Bezugsobjekt angenommen wurde, dann lässt dies ebenfalls den Schluss zu, dass sich das Subjekt bei übermäßiger Zurückweisung von primären Triebstrebungen als aggressiv, gefährlich und nicht liebenswert empfindet und genauso wiederkehrend mit sich selbst und seiner Umwelt in Beziehung tritt. Der primäre unbewusste Selbstwert ergibt sich demnach bereits aus der Summe erotisch angenommener und aggressiv abgelehnter Triebstrebungen. Das Ziel einer therapeutischen Behandlung müssen dann innerhalb eines sozial verträglichen Rahmens die Aufdeckung, die Mobilisierung sowie die Ausrichtung grundlegend unterdrückter, abgelehnter und aufgestauter aggressiver Organismusstrebungen auf die Objektwelt sein. Dies wird durch die zuvor liebevolle Reintegration der aggressiven Anteile in das Selbstbild erreicht. Hierzu braucht es eine vertrauensvolle, wertschätzende und annehmende Haltung eines kontaktfähigen Therapeuten in einer echten Beziehung (vgl. Fairbairn, 2007, S. 257 ff), da nur so der gesamte Organismus die Erfahrung machen und feststellen kann, dass er weder gefährdend für seine Umwelt noch von dieser gefährdet ist, sondern grundlegend primär-narzisstisch annehmbar und liebenswert, auch wenn er destruktive Anteile besitzt. Dies wiederum bildet die Grundvoraussetzung für ein gewisses Maß an Selbst- und Fremdliebe und ermöglicht eine unbefangenere und für die Lebenserhaltung notwendige Kontaktaufnahme mit der Umwelt. Sekundär ergibt sich daraus auch erst die Fähigkeit zu Bedürfnisaufschub bei dem anhaltenden Gefühl des Angenommenseins ohne Angst vor Beziehungsabbruch. Die unten aufgeführten vier Phasen stellen die zunächst auf rein triebhaften Strebungen beruhenden Objektbeziehungen entsprechend des somatischen Entwicklungsstandes des Organismus dar. Die belebten und unbelebten Objekte werden dabei noch somatisch-vegetativ über die Sinnesorgane, den Mund, den Anus, die Muskulatur oder auch die Geschlechtsorgane angestrebt. Im späteren kortikalen Reifen sowie im vermehrten Objektkontakt werden auf diese somatisch-vegetativen Grundlagen des Objektkontakts mit primären Objekten dann zunehmend verbal-kognitive Selbst- und Fremdkonzepte aufgebaut. Der Rückgriff auf die rein somatisch-vegetative Objektbeziehung bei Objektverlust stellt demnach eine ontogenetische Regression dar.                                                   

Zusammenfassend stelle ich fest: Menschliches Handeln, Fühlen und Denken werden maßgeblich durch primäre angenommene und abgelehnte gespaltene somatisch-vegetative Seinsentwürfe bestimmt (Sartre beschreibt dies anschaulich in seinem Entwurf einer Existentiellen Psychoanalyse). Sie sollen angesichts einer ständig unter der Anzweiflung lauernden Bedrohung der Seinsleere, die sowohl durch den Seinsmangel des Für-sich, welches zum Für-sich-An-sich werden möchte, als auch durch äußere böse Objekte oder innere bedrohliche Anteile hervorgerufen wird, ein gutes, volles und absolutes Seinsempfinden sowohl auf somatisch-vegetativer als auch auf verbal-kognitiver Ebene vermitteln und dieses verteidigen. Dabei werden die angenommenen erotischen Entwurfanteile verstärkt gezeigt, die abgelehnten aggressiven hingegen ausgeblendet, verdrängt, unterdrückt oder bekämpft (abgewehrt). Diese primären gespaltenen Entwürfe mit ursprünglich ontologischer Seinsqualität (vgl. Sartre, 2006, S. 986 ff) wie beispielsweise dem Streicheln, Spielen, Haben, Bohren, Formen, Lecken, Stechen, Kratzen, Ausdrücken oder Saugen (die qualitativen Möglichkeiten des physischen Seins in der Welt sind schier unerschöpflich) erfahren in der Ontogenese verbal-kognitive Überbauten (Selbstkonzepte), welche jedoch bei Anzweiflung und Gefahr der Infragestellung (Nichtung) sofort zurück zu ihren somatisch-vegetativen Ursprüngen regredieren, um die entstandene existenzielle Seinsleere sogleich durch ein prälogisches Sich-in-Situation-begeben ontologisch zu füllen. Man kann also nicht nichts sein aber auch nicht etwas! Die Art des regressiven und triebhaft-organischen Umgangs des Säuglings mit seiner Objektwelt und sich selbst (grundlegende Selbst- und Fremdbetätigung) bestimmt auch später symbolisch ein Leben lang die progressiven Objekt- und Subjektbeziehungen des gereiften Individuums. Das progressive und komplexe kognitive Engagieren in einen Seinsentwurf wird so durch ein rein biologisches und existenziell sehr drängendes neurotisches Engagieren ersetzt. Psychotherapeutisch gilt es dieses unangenehme existenzielle Drängen und Leiden des regressiven Sich-engagierens als einen überholten Versuch des Selbstschutzes zu mindern. Dies wird erreicht, indem man sowohl auf verbal-kognitiver als auch begrenzt auf somatisch-vegetativer Ebene eingeengte, überholte, unbewusste und neurotische Seinsentwürfe, die ein grundlegendes Empfinden des Gutseins sichern sollen und es einst auch real taten, durch Perspektivwechsel flexibler, bewusster und wählbar macht. Dadurch werden einem Wahlalternativen zur Verfügung gestellt, die imstande sind, eine Anzweiflung des bisherigen Seinsentwurfs durch ein erweitertes und freieres Selbstkonzept alternativ zu kompensieren. Ausgeblendete, verdrängte oder bekämpfte Schwächen, Unvollkommenheiten und Defizite können aus der erweiterten Perspektive des Metaseinsentwurfs leichter akzeptiert und angenommen werden. Das gute, volle und absolute Seinsempfinden, mit dem man sich durch die therapeutische Bewusstmachung nun aus der verinnerlichten Perspektive des überschauenden Therapeuten mit einem Abstand zu seinen bisherigen einengenden Entwürfen identifizieren kann, wird dann durch das wiederkehrende Einnehmen eines Metaentwurfs geschützt. Dieser Entwurf ist zwar durch seinen Umfang und seine Erweiterung etwas geschützter vor Nichtung, jedoch ist auch er nicht gänzlich davor gefeit. Neben einer wirklich schmerzvollen und mutig erarbeiteten Erweiterung des Selbstkonzeptes mit einer Reintegration abgelehnter und Scham- sowie Schuldgefühle erzeugender Selbstanteile können solche Metaselbstentwürfe nicht selten auch die Qualität radikaler spiritueller, philosophischer oder religiöser Anschauungen erreichen. Diese wären dann eine falsche und unaufrichtige Selbstkonzepterweiterung, die nach wie vor hoch neurotisch und von ausgeprägter Verdrängung und Spaltung gekennzeichnet ist. Zudem versucht ein Zurückgreifen auf einen solchen esoterischen, transzendenten und allumfassenden Metaentwurf über die Tatsache hinwegzutäuschen, dass unser Sein fest in der Hand unbewusster, primärer und prälogischer Selbstentwürfe auf somatisch-vegetativer und emotionaler Ebene ist. Man kann sich noch so sehr an kognitive Überzeugungen klammern. Letztlich werden diese jedoch immer wieder regressiv von tief verwurzelten und existenziell drängenden (emotional, vegetativ) Seinsentwürfen übermannt und regelrecht weggefegt. Diese Begrenzung in der Freiheit der Selbstwahl als freien Entwurf kann man letztendlich nur akzeptieren und hinnehmen, will man sich nicht ständig neurotisch entwerten, neu erfinden und sich selbst etwas vormachen müssen. Das Ziel des Menschen muss es also sein, ein hohes Maß an Selbsterkenntnis durch reflektierte Selbstschau bezüglich seiner Existenz als Entwurf und zugleich als Entwerfender zu erlangen und hieraus eine reduzierte Ernsthaftigkeit gegenüber seinem Sein – also sich selbst – und dem der anderen zu gewinnen. Die Psychotherapie stößt in ihrem Versuch, die Seinsentwürfe aufzuzeigen, sie zu erweitern und frei wählbar zu machen, allerdings auf eine deutliche Grenze, da bei einer anhaltend gravierenden Seinsversagung (Objektverlust, Beziehungsabbruch, Anzweiflung, existenzielle Bedrohung) die verbal-kognitiven Überbauten und Seinskonzepte nicht mehr zur positiven Selbstbehauptung ausreichen und nach und nach von primitiven und existenziell drängenden somatisch-vegetativen Entwürfen, für die es keine kognitive Entwurferweiterung gibt, regressiv und ,unfreiwillig’ übernommen und ersetzt werden. Diese archaischen Bereiche bleiben der auf Gespräche reduzierten Psychotherapie weitestgehend unzugänglich, da sie nicht verbal-kognitiv erfassbar sind und die somatisch-vegetativen Entwürfe eben nur symbolisch, unvollständig und spekulativ ,begreifbar’ gemacht werden können. Allerdings kann sich das Individuum in seiner ihm therapeutisch gespiegelten Symbolik seines Grundentwurfs meistens sehr klar erkennen. Hier setzen dann insbesondere therapeutische Techniken und Kontaktangebote auf somatischer und emotionaler Ebene an (zum Beispiel die Gestalttherapie).                                              

Nach einer sehr kurzen primär-narzisstischen Phase physischer und psychischer Verschmelzung mit der Mutter unmittelbar vor und nach der Geburt durchläuft das Individuum die unten angeführten idealtypischen objektgerichteten Entwicklungsphasen (vgl. Fairbairn, 2007, S. 171 ff), wobei es immer den befriedigten, entspannten und bedingungslos geliebten Zustand des präreflexiven ungespaltenen Ich beziehungsweise eigentlich des ontologischen All-Ich oder Für-sich-An-Sich (primär-narzisstisch) anstrebt. Später zeigt sich dieses Streben bei unzureichender Seinsspiegelung als sogenannter sekundärer Narzissmus. Aus den dargestellten Phasen leiten sich unter anderem auch mögliche therapeutische Interventionen ab. So kann beispielsweise ein anal-zwanghafter Typus lernen, selbstwirksamer und autonomer zu sein, indem er zunehmend Unordnung und Einmischen von außen sowohl auf physischer als auch auf psychischer Ebene aushält und dennoch dabei unabhängig er selbst bleibt. In jedem Fall geht es darum, sein Empfinden von Gut-sein auch ohne Objekte zeitweise in sich selbst aufrecht zu erhalten. Die folgenden Phasen existieren in der Realität freilich nicht in einer derart voneinander differenzierten Art und Weise. Vielmehr treten sie meist als Mischformen auf, deren Bestandteile man durch sorgsame Beobachtung individuell herauskristallisieren muss.


Zuletzt möchte ich in diesem Artikel noch kurz meine Anschauungen hinsichtlich der theoretischen Überschneidungen zwischen dem phasentypischen entwicklungspsychologischen Konzept der Psychoanalyse und dem Modell des Kontaktzyklus’ der Gestalttherapie darlegen. Stellt man sich die gestalttherapeutischen Kontaktfunktionen Konfluenz, Introjektion, Retroflexion, Projektion, und Egotoismus (vgl. Dreitzel, 2004, S. 112 ff; Goodman et al. 2006, S. 312 ff) als eine Abfolge phasentypischer Entwicklungsschritte in der Selbstwerdung grafisch auf der Kontaktkurve vor, dann ergibt sich eine Zuordnung, die der des Phasenmodells der Psychoanalyse sehr nahe kommt. Sowohl hinsichtlich der Beschreibungen der den Phasen zugrundeliegenden psychodynamischen Grundkonflikte als auch der beschriebenen reinen Persönlichkeitsmerkmale zeigen sich deutliche Übereinstimmungen. Ergänzt man das analytische Phasenmodell nun noch um die spezifische Perspektive des Kontaktes und der Objektbeziehungstheorie, dann ergibt sich eine sehr konsistente und grundlegende psychodynamische Entwicklungstheorie, wie sie in der nachfolgenden Grafik abgebildet ist. Vorläufer einer solchen Anschauung sind bereits bei Anger & Schön (2012) oder auch Müller (2001) zu finden. Im Fokus dieser ganzheitlichen psychodynamischen Entwicklungstheorie steht jedoch die für jeglichen gesunden Kontakt der Organismen mit ihrer Umwelt (Aufnehmen, Kauen – ggf. Ausspucken –, Verdauen/Assimilieren, Ausscheiden) grundsätzlich notwendige Autonomieentwicklung – die Selbstwerdung als Subjekt am Objekt. Wie in jeder Diagnostik soll die folgende idealtypische jedoch künstliche phasenartige Unterscheidung einer eigentlich fließenden Entwicklung lediglich das Verständnis für den Hintergrund eines kontaktspezifischen fixierten Verhaltens-, Denk- und Fühlmusters ermöglichen, nicht jedoch ein Schubladendenken fördern. Letztendlich soll aus diesem Hintergrundverständnis nicht nur eine vage Rekonstruktion der frühen Kindheitserfahrungen und Jugendzeiterlebnisse (bzw. die hierbei beeinträchtigten phasenspezifischen Grundbedürfnisse des Organismus in seiner Entwicklung) vollzogen werden, sondern es soll auf der Basis der Kenntnis phasentypischer Entwicklungsschritte und ihrer möglichen Beeinträchtigungen (zugrundeliegende Psychodynamiken) eine konkrete therapeutische Intervention abgeleitet werden können, die darauf abzielen, die hinter den Symptomen verborgenen beeinträchtigten organismischen Entwicklungsimpulse aufzudecken und nachträglich zu ihrer Entfaltung zu bringen . An dieser Stelle soll kurz skizziert werden, was die wesentlichen Inhalte dieser Synthese aus den gestalttherapeutischen Widerstandstypen, den psychoanalytischen Psychosexuellen Phasen sowie der Objektbeziehungs- bzw. Selbsttheorie sind.            
Die Entwicklung des Menschen nimmt hier ihren Ausgangspunkt bei seiner Geburt, nach welcher sich der Organismus noch rein sensorisch und keinesfalls als konsistentes psychisches Selbst auf seine Umwelt und sich selbst bezieht. Mutter (in der Grafik dargestellt als erstes äußeres Objekt) und Kind (dargestellt als Subjekt) bilden hier noch psychisch eine Einheit (die Mutter als Selbstobjekt des Kindes), sodass ihre Kurven zunächst als Einheit verlaufen. Es folgen dann mit der zunehmenden psychischen Entwicklung und den weiteren integrierten Objekterfahrungen als erste Identifikationen eine erste Loslösung als fragmentarisches Selbst aus der Symbiose mit der Mutter und somit eine höhere Kontaktfähigkeit (Intentional/ Konfluenz à kein Erleben der Welt und von sich selbst als grundlegend emotional warm). Die Mutter wird nun in Teilen als anders und eigenständig erlebt. Das Subjekt wiederum verinnerlicht (schluckt) erste sehr einfache und kaum differenzierte oft widersprüchliche Teile der Mutter, identifiziert sich mit ihnen und verfügt dadurch begrenzt innerlich über diese, wenn es von der Mutter getrennt ist (Oral/ Introjektion à keine Verinnerlichung differenzierter Objekterfahrungen durch unzureichend liebevolle und sichere Trennung von der Mutter; hohe Spannung zwischen inneren widersprüchlichen libidinösen und antilibidinösen Teil-Selbst- und Teil-Objektrepräsentanzen). Hieran schließt sich die Fähigkeit an, die Erfahrungen aus der Umwelt zunehmend motorisch aber auch psychisch zu differenzieren (zu kauen), sich von äußeren Einflüssen abzugrenzen und seinen eigenen Willen zu erleben. Mit diesem zunehmenden Entdecken der eigenen Fähigkeiten, der Macht und des Willens entwickelt sich auch das Erleben eines machtvolleren Selbst mit dem Bedürfnis, seine Umwelt zu Gunsten seiner eigenen Wünsche aktiv zu manipulieren, zu bearbeiten (Kauen, Ausspucken, Ausscheiden) (Anal/ Retroflexion à keine offen aggressive Beeinflussung der Umwelt). Schlussendlich wird mit beginnender sexueller Entwicklung die Grundidentität des Geschlechtes gebildet und damit die Fähigkeit, als Individuum (konsistentes Selbst) mit der Umwelt maßvoll zwischen libidinös-erotisch und antilibidinös-aggressiv in den Kontakt zu treten (Ödipal/ Egotoismus à keine Entwicklung einer selbstbewussten grundlegenden Identität). Hieran schließt sich mit der Assimilierung (Verdauung) die De-Identifizierung des Subjektes von sich selbst und den Objekten als Selbst und schließlich als ,Schöpferische Indifferenz’ an.                                                                               
Jede einzelne Kontaktfunktion hat also mit ihren entwicklungspsychologischen (Selbstwerdung) sowie den dazugehörigen organismischen Entwicklungsimpulsen seine ganz eigene lebenswichtige Bedeutung für den Vollzug eines stetigen bereichernden und vollständigen Kontaktes, der wiederum erst ein ständiges bewegliches Wachstum eines jeden Organismus’ ermöglicht. Es geht also in der Entwicklung der Lebewesen primär darum, als Organismus sowohl physisch als auch psychisch mit seinen Triebimpulsen (sowohl libidinös-erotisch als auch antilibidinös-aggressiv) zu einem konsistenten und kongruenten Selbst zu werden, welches sich jedoch nach dem Kontaktvollzug immer auch wieder mit ganz neuem Umweltmaterial genährt inhaltlich verändert und hierdurch als eine Art mathematischer ,Funktion’ zyklisch immer in Bewegung bleibt. Das Selbst tritt demnach bei jedem Kontaktvollzug paradoxerweise stets neu aber auch vertraut aus dem Hintergrund als Figur in den Vordergrund.
 
Um die oben beschriebenen Dynamiken endopsychischer Prozesse im Sinne der Objektbeziehungstheorie besser verstehbar zu machen, soll hier noch kurz das Konzept der endopsychischen Struktur nach W. R. D. Fairbairn dargestellt werden. Seiner Auffassung nach bildet das Selbst […] ein geschlossenes System von Ich-Anteilen und verinnerlichten Objekten, deren Aufteilung durch Abwehrmechanismen mit Spaltung und Verdrängung geschieht. Die Ich-Teilungen stehen untereinander in einer dynamischen Beziehung. Diese Dynamik entfaltet die Beziehung zur Mutter als primärem Objekt und ist für die pathologischen Zustände verantwortlich. (vgl. 2007, 7 f.)            
                                                    
Die folgende Grafik soll sein Konzept noch einmal verdeutlichen. Meines Erachtens lassen sich zu den jeweiligen Entwicklungsphasen der Psychoanalyse und den sich hieraus ableitenden Persönlichkeitsstrukturen (als Lösungsversuche grundlegender unbewusster Konflikte) spezifische vereinfachte Dynamiken zwischen den Ich- bzw. Selbstanteilen aufzeigen. Geht man von der Grundannahme eines zunächst ungespaltenen Selbst aus, welches sich mit dem Bezugsobjekt als Ich identifiziert, wird dieses in der weiteren Entwicklung durch sowohl libidinöse (lustvoll-befriedigend) als auch antilibidinöse (schmerzhaft-versagend) Beziehungserfahrungen mit zunehmender Ambivalenz in innere Objekte gespalten, wobei das Ausmaß der Spaltung von der Massivität unlustvoller Beziehungserfahrungen mit dem Versorgungsobjekt abhängt. Sobald das Subjekt an seinem versorgenden Objekt antilibidinöse Tendenzen erlebt, verinnerlicht es diese mit dem Ziel, die antilibidinösen Anteile des Versorgungsobjektes in der inneren Welt des Subjekts besser kontrollieren zu können. Damit kann das Subjekt innerpsychisch zumindest kurzfristig erneut Kontrolle über die als bedrohlich erlebten Anteile des Objektes erlangen. Entsprechend dieser zunächst somatischen, emotional-vegetativen und später auch kognitiven Introjektion oder Verinnerlichung der Objektanteile werden folglich innere versorgende ,gute’ aber auch versagende ,böse’ Objekte ausgebildet. Das Ziel der kindlichen Entwicklung ist es letztlich, diese widersprüchlichen inneren Objekte zu konsolidieren und sie aus ihrer primären Identifizierung wieder in die Objektwelt zu entlassen.


 





Abbildung: Endopsychische Struktur (Mensch©) nach W. R. D. Fairbairn (2007, S. 138)





Schizoide Dynamik: AI vs. ZI
Besetzung des antilibidinösen Ichs und Angriff gegen das gesamte Ich (Wendung gegen das Selbst als paranoide Verfolgung --> Verschlingen, Auflösen, Leere, Sinnlosigkeit) oder überwertige Besetzung des gesamten Ichs mittels Ausblendung der bedrohlichen Objektwelt (Psychose, Manie); kaum Ausbildung eines abgegrenzten libidinösen Ichs; Konfluenz




Orale Dynamik: AI vs. LI; LI braucht LO
Besetzung des antilibidinösen Ichs und Angriff gegen das libidinöse Ich (Wendung gegen Anteile à Autoaggression) oder Besetzung des libidinösen Ichs mit Abhängigkeit vom libidinösen Objekt (ständig ,saugende’ Inkorporation aus der Umwelt); Introjektion




Anale Dynamik: AI vs. LI; LI stößt AIO aus
Besetzung des antilibidinösen Ichs und Angriff gegen das libidinöse Ich (Wendung gegen Anteile --> Autoaggression) oder Besetzung des libidinösen Ichs mit Exkorporation des antilibidinösen Ichs (Aggression); Retroflexion, Projektion



Genitale Dynamik: AkAI+AkLI blenden LI und AI aus sowie AkLO+AkAO blenden LO und AO aus
Besetzung entweder des akzeptierten antilibidinösen Ichs oder des akzeptierten libidinösen Ichs gepaart mit dem akzeptierten antilibidinösen Objekt bzw. dem akzeptierten libidinösen Objekt unter ,Ausblendung’ wesentlicher existenzieller antilibidinöser sowie libidinöser Anteile (Selbstaufwertung und Fremdabwertung vs. Selbstabwertung und Fremdaufwertung); Egotoismus



Ödipale Dynamik: AkII+AkIO sind in reifem Kontakt
Besetzung des akzeptierten idealen Ichs und Kontakt mit dem akzeptierten idealen Objekt
Das wiederkehrende Erreichen des Therapeuten der objektbeziehungstheoretischen Entwicklungsstufe im Stadium der reifen Abhängigkeit (trotz eigener ‚Fixierungen’) macht meines Erachtens erst ein nachhaltiges tiefenpsychologisches und die Kontaktfähigkeit fokussierendes therapeutisches Arbeiten aus der schöpferischen Indifferenz heraus möglich.


Abbildung: Gestaltzyklus (Mensch©) nach Blankertz & Doubrawa 2005; Ermann 2007; Müller 2001












Abbildung: Kontaktmodus Konfluenz / schizoid (Mensch©)






Lebensalter: 0 bis 0,5 Jahre / Ich und Welt
Psychoanalytisch: Intentional (schizoid); Nähe vs. Distanz (OPD)
Gestalttherapeutisch: Konfluenz im Vorkontakt


Hintergrund: Das Subjekt erfährt die Welt physisch mit den Sinnesorganen (Tasten, Spüren der Körpergrenzen, Sehen, etc.) und bekommt aus seiner Umwelt dazugehörige Emotionen gespiegelt und bildet somit ein grundlegendes Gefühlsbild seiner Umwelt und seiner Selbst ab; es findet ein erstes Differenzieren zwischen einerseits belebten und mit Gefühlen versehenen Dingen und andererseits unbelebten Dingen statt; es wird die Grundlage für Empathievermögen, Perspektivübernahme und damit Denken in einfachen Sinnzusammenhängen gelegt; Das Subjekt erfährt sich als existent in seiner Identifikation mit seinem Objekt und genießt sein Sein


Störungen durch drohenden Objektverlust: Das Subjekt strebt mit seiner Sensorik nach der Welt und erlebt diese bei fehlender emotionaler Wärme dann überwiegend sensorisch statt gefühlshaft als gefährlich kalt oder gleichgültig (gestörtes Urvertrauen, physisch wie psychisch empfundene Ohnmacht und Leere, grundlegender Seinsmangel, Getrenntheit und Identitätslosigkeit gegenüber der Objektwelt); es entsteht eine empfundene tiefe Kluft zwischen dem Subjekt und seiner als gefährlich erlebten verschlingenden Umwelt aber auch zwischen sich selbst --> entweder (regressiv) das Subjekt verschmilzt mit seiner Objektwelt und überbrückt somit künstlich die Kluft zwischen Subjekt und Objekt (extreme Identifizierung mit dem Objekt bei gleichzeitiger Selbstaufgabe als Verschmelzungswunsch) oder (progressiv) das Subjekt zieht sich ängstlich, vermeintlich selbstgenügsam, gefühls- und gedankenarm (schizoid) bis hin zu autistisch oder psychotisch aus Angst vor dem Verschlingen durch das Objekt in sich selbst zurück und sorgt sich vor dem Verschmelzen seiner Umwelt mit ihm (paranoider Kontakt mit Selbstteilrepräsentanzen als Flucht vor der gefährlichen Objektwelt); die Objektwelt wird verzerrt oder ganz ausgeblendet; ohne ein Gefühl für sich und den anderen (klare Trennung) bleibt eine Angst vor Selbstverlust; massive Abgrenzung vom Objekt


Extreme Polarisation zwischen Gut und Böse; Sein vs. Nichtsein; stark fragmentierte Selbst- und Objektrepräsentanzen; diffuse bis keine Gefühlslegierung, -empfindung und -regulierung; mangelnde Empathiefähigkeit; Subjektüberhöhung oder Objektüberhöhung (magisch, esoterisch), um das Bedrohliche aus der Umwelt und in sich selbst auf Distanz zu halten (selbstverletzend und autoaggressiv gegen überschwemmende böse Teilselbst- und Teilobjektrepräsentanzen); extreme Abhängigkeit von ,guten’ Selbstobjekten



Ziel der Sozialisation: Verinnerlichung eines emotionalen warmen und willkommenen Bezuges des eigenen Seins zur Welt; Entwicklung von Urvertrauen in die Welt sowie von Urvertrauen in den Kern des eigenen Seins und Gutsein mit dem Empfinden des Eingebundenseins in der sicheren Objektwelt (Hingabe an das Leben, an das Subjekt); mit der Welt verbunden sein, ohne mit ihr verschmelzen zu müssen oder vor ihr fliehen zu müssen (ohne primär-narzisstisch zur ganzen Welt zu werden oder sich aus ihr zurückzuziehen); sich selbst und den anderen durch ein grundlegend warmes Gefühl als ,ganz’ und konsistent erleben können; Grundlegung eines ersten vertrauten Basisgefühls für sich selbst und den anderen und damit auch die Grundlegung eines ersten Empathievermögens















Abbildung: Introjektion / oral (Mensch©)




Lebensalter: 0,5 bis 1,5 Jahre / Ich und Du

Psychoanalytisch: Oral-Libidinös (borderline, depressiv); Selbstversorgung vs. Versorgwerden (OPD), Stadium der frühkindlichen Abhängigkeit (inkorporierend-nehmend)
Gestalttherapeutisch: Konfluenz/ erste Introjektion im
Vorkontakt, beginnende Kontaktaufnahme


Hintergrund: Das Subjekt verleibt sich die unbelebte wie belebte Objektwelt durch Introjektion differenzierter verschiedener Objekte ein, assimiliert sie und macht sie zu einem Teil seiner selbst; aus verschiedenen undifferenzierten Teilobjektrepräsentanzen werden zunehmend konsistentere kohärente Selbstrepräsentanzen; Das Subjekt verbindet sich mit seiner Objektumwelt und genießt seine Verbundenheit im Schutze des noch überall gegenwärtigen Objektes und geht darin auf


Störungen durch drohenden Objektverlust: Das Objekt steht dem Subjekt nicht ausreichend durch eine bestätigende, sichere und gebende Haltung zur Einverleibung zur Verfügung; das Subjekt fühlt sich abgelehnt, leer, hungrig, bedürftig und verlassen --> entweder (regressiv) das Subjekt zehrt das gesamte Objekt undifferenziert auf, umklammert und verschlingt es in passiver oder auch fordernder Riesenerwartung, benutzt es zur Seinsfüllung, verleibt sich statt dem vollständigen belebten Objekt nur wahllos undifferenzierte Teilobjektrepräsentanzen und Ersatzobjekte ein (Surrogate wie Suchtmittel werden introjiziert, inkorporiert) und ,schluckt’ alles undifferenziert hinunter (auch vieles, was dem Organismus nicht gut tut) oder (progressiv) das Subjekt überversorgt das Objekt, stellt sich bedürfnislos, um unabhängig vom Objekt zu sein


Ohne ein wirklich vollständig verinnerlichtes gutes Objekt bleibt eine ständige ,klebrige’ Angst vor Objektverlust als Trennungsangst


Immer voll sein (versorgt werden) bedeutet, gut zu sein; die gute versorgende Teilobjektwelt einverleiben und sie aus den Teilen trotz böser Teile zum guten und ganzen Subjekt verwandeln (assimilieren), Versorgung (bis hin zu abhängig sein) vs. Autarkie (bis hin zu Verhungern und leer sein);


beginnende differenzierende Teilselbst- und Teilobjekt-repräsentanzen; starke Abhängigkeit von ,guten’ Selbstobjekten


Ziel der Sozialisation: Dem Subjekt steht ein Zuwendung und Versorgung spendendes Objekt zur Verfügung; dieses gute versorgende Objekt wird erst überwiegend passiv (oral-passiv Bekommen) und dann zunehmend differenziert aktiv (oral-aggressiv Nehmen) einverleibt; durch das passive und bedingungslose Erhalten der Versorgung entsteht ein grundlegendes Empfinden des Gut- und Erwünscht- sowie des sicheren Gebundenseins; mit dem zunehmenden aktiven oralen ,Zubeißen‘ kann sich das Subjekt immer mehr aus eigenem Antrieb heraus differenziert seine Versorgung einfordern und befriedigen (Regulation von Quantität und auch Qualität); daran anschließend kann das Subjekt die Surrogate als Liebes- und Versorgungssymbole (Muttermilch, Nahrung etc.) des guten und füllenden Objektes wieder loslassen und sich selbst sowohl ohne dieses als auch ohne Schuldgefühle als ein gutes und volles Subjekt empfinden; dadurch darf es sich auch vom Objekt sicher entfernen; ,Selbstfüllung‘ durch echte Assimilation der Objektwelt in echter Beziehung; das mitgeschluckte undifferenzierte ,Böse‘ differenzieren und Überflüssiges ausstoßen und sich von ihm abgrenzen; Angst vor oral-aggressiver Abgrenzung durch Überzeugung inneren Gutseins überwinden (Schuldgefühle überwinden); selbst entscheiden (positionieren) dürfen, was assimiliert wird; die verbindliche, differenzierte und liebende Person hinter dem rein versorgenden Surrogat erkennen lernen








 
 
Abbildung: Retroflexion/ Projektion / anal (Mensch©)




Lebensalter: 1 bis 3 Jahre / Ich und Selbst
Psychoanalytisch: Oral-Anal-Aggressiv (depressiv, narzisstisch, zwanghaft); Unterwerfung vs. Kontrolle (OPD), Stadium der Quasi-Unabhängigkeit mit Zweiteilung und Externalisierung des inkorporierten Objektes
Gestalttherapeutisch: Retroflexion/ Projektion in der
Kontaktaufnahme


Hintergrund: Das Subjekt strebt nach Autonomie, Selbstwirksamkeit und Kontrolle seiner Selbst und seiner Umwelt durch Verströmen und Behalten von Körperausscheidungen, motorischen/emotionalen Impulsen, sortierenden, ordnenden Handlungen sowie gedanklichen und sprachlichen Ausdrücken; es nutzt hierfür natürliche motorisch-aggressive Impulse und riecht, beschnuppert, ertastet und begreift sich selbst und seine Umwelt; es trennt erstmals und differenziert, was ihm aus der Umwelt zugetragen wird und lehnt es auch erstmals ab; Das Subjekt trennt sich zeitweise von seiner Objektumwelt und kann diese empfundene Getrenntheit sowie ich-zentrierte Selbstbestimmtheit als Macht und unabhängige Freiheit genießen; es entscheidet erstmals, was es an sich behalten und was davon los werden möchte



Störungen durch drohenden Objektverlust: Das Subjekt wird in seinen autonomen Strebungen nach Selbstwirksamkeit, Abgrenzung und Ruhe mittels Verströmen und Behalten durch das kontrollierende, verbietende und Schuldgefühle machende Objekt, von dem es abhängig ist, behindert und empfindet sich abhängig, klein und ohnmächtig --> entweder (regressiv) das Subjekt verströmt sich übermäßig gegenüber dem Objekt und behält so seine Macht und seinen Willen durch aggressives Herangehen und Verströmen durch Angreifen, Zerstören, Kaputtanalysieren, Aus- und Zerdrücken, offene Aggression, Ekel, emotionale und motorische Unruhe bis zur Hyperaktivität und Impulsivität (unbegrenzte Menschenoffenheit, Lautstärke, Verschenken, aggressives Durchsetzen, eindringende und sezierende Neugierde); das Empfinden mangelnder Durchsetzungs- und Abgrenzungsfähigkeit führt zur Angst vor Autonomie- Macht- und Selbstwirksamkeitsverlust oder (progressiv) das Subjekt behält übermäßig seine natürlichen, autonomen, selbstwirksamen und aggressiven Impulsen gegenüber dem kontrollierenden und in Abhängigkeit haltendem Objekt zurück durch gehemmtes Zurückhalten, Sammeln, Sortieren, Wiederholungszwänge bei unabgeschlossenen Prozessen; Leistungerbringen, Überanpassen, Sauberkeit, Kategorisieren, leeres Denken, passive Aggressivität, emotionale und motorische Starre, Menschenängstlichkeit, Geiz, leise, Anspannung, Opferrolle, Desinteresse und verteidigt seinen Willen, seine Autonomie, sein Eigentum gegen das fordernde, bestimmende, sich einmischende, Schuld einflößende und eindringende Objekt



zunehmend vollständige Subjekt- und Objektrepräsentanzen; Autonomie (Narzissmus, Größenerleben, Macht) vs. Abhängigkeit (Minderwertigkeitserleben, Ohnmacht); abnehmende Abhängigkeit von ,guten’ Selbstobjekten



Ziel der Sozialisation: Die Entwicklung einer Mischung aus einer einerseits kraftvollen Handhabung sowie Leistung und einer andererseits zärtlichen Behandlung sowie inneren Ruhe auf die belebte und unbelebte Umwelt (vgl. Wunderlich, 1996, S. 115); das kontrollierende, übermächtige und infrage stellende Objekt in seine Grenzen oder gar zurückweisen, um das Eigene zu behalten und dessen Forderungen von den realen Anforderungen des Lebens trennen; die reale sinnhafte Macht und den notwendigen Willen des anderen in Form von Selbstwirksamkeit übernehmen, also aus dem manchmal dominierenden ,Muss’ von außen ein echtes ,Will’ von innen machen; Vertrauen in eigene natürliche Selbstregulationsprozesse; Affektkontrolle lockern; Annehmen eigener lebenswichtiger, natürlicher aggressiver und abgrenzender Impulse; Loslassen vom zwanghaften und selbstkontrollierenden Schaffen, Produzieren und Leisten als Wiederholen nicht vollständig oder optimal beendeter Prozesse (Angst vor Selbstwirksamkeits- und Kontrollverlust bei offenen oder unvollständigen Prozessen führen zu Zwängen, Körperanspannungen, Selbst- und Fremdkontrolle)







 
 
Abbildung: Egotoismus / ödipal (Mensch©)


Lebensalter: 3 bis 5 Jahre / Ich und Wir
Psychoanalytisch: Phallisch/Ödipal –
(hysterisch / narzisstisch); Odipale Konflikte (OPD), Stadium reifer Abhängigkeit (libidinöse und antilibidinöse Objekte wurden auf Eltern externalisiert und akzeptiert)
Gestalttherapeutisch: Egotoismus fast im Vollkontakt

 
Hintergrund: Das Subjekt von der Objektwelt in der eigenen Geschlechtsidentität und Identität allgemein stetig und verbindlich stabil bestätigen lassen; Aufgehen in den anderen; aus vorhergegangenen Triebbedürfnissen (aggressives motorisches Einverleiben und Abgrenzen) werden sexuelle und zärtliche Impulse und Wünsche, die an Eltern herangetragen werden (Integration der Sexualität in die Identität); aus Dyade (Kind-Mutter/ Kind-Vater) wird Triade (Mutter-Vater-Kind) --> spielerische Begrenzung eigener Macht/ Aggression bei gleichzeitigem zärtlichen Annehmen  --> Akzeptanz der Anderen -->  Abhängigkeit von der Bewunderung und Bestätigung anderer (dritter); Festigung der grundlegenden Identität (insbesondere der gleichgeschlechtlichen Geschlechtsidentität); durch kognitive Reifung weicht das Lustprinzip dem Realitätsprinzip (Überschauvermögen, planendes Handeln, Selbstbild, Gewissen, Reflexionsfähigkeit)


Störungen durch drohenden Objektverlust: Durch unzureichende gleichgeschlechtliche Präsenz (Rollenvorbild aber auch notwendige Rivalität) sowie unzureichende gegengeschlechtliche Präsenz (Ziel der erotischen Impulse und Wünsche und Annehmen der Zärtlichkeitsbedürfnisse ohne Eingehen auf sexuelle Impulse) kommt es (regressiv) zum Verharren im Lustprinzip durch die massive Verdrängung sexueller Impulse bis hin zur gesamten Vorstellungswelt (infantiles magisches Denken, keine Exploration, kein realistisches Selbst- und Fremdbild, narzisstische Selbstüberhöhung bzgl. der Geschlechtsidentität)


Aufgrund mangelnder Identifikationsmöglichkeiten mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil (durch Rivalisieren und Annehmen) und mangelnder Deidentifikationsmöglichkeit mit dem gegengeschlechtlichen Elternteil (Ablösen) kann keine stabile Geschlechtsidentität ausgebildet werden --> Empfinden von Minderwertigkeit hinsichtlich der Geschlechtsidentität à entweder (regressiv) das Minderwertigkeitserleben wird kompensiert durch Verharren im Infantilen, Irrationalen und Vorgeschlechtlichen (Verharren in der infantilen Rolle des bedürftigen Prinzen/ der bedürftigen Prinzessin) oder (progressiv) kompensiert durch pseudoerwachsene künstliche, entgrenzte, phallisch-narzisstische/ verschlingend-hysterische Selbstaufwertung und übertriebene Selbstdarstellung in der Geschlechtsrolle (einseitige Identifikation mit dem überstarken Vater --> omnipotente, phallische Pseudogeschlechtsidentität des rivalisierenden Don Huan oder der hysterisch verschlingenden Diva/ Vamp)


Überbetonung (regressiver) eigener infantiler, realitätsferner und grenzenloser Allmachtsfantasien wie in einem Spiel ohne existenzielle verbindliche Grenzen mit dem Anspruch der sofortigen Bedürfnisbefriedigung à zur Abwehr der Angst vor der bindenden und „verschlingenden Mutter“ (vgl. Dammasch, 2012) oder der Angst vor väterlicher Entwertung („Kastration“)


relativ vollständige ganzheitliche Selbst- und Objektrepräsentanzen; konsistentes und kongruentes wenngleich stark einseitiges (auf Sexualität/ Geschlecht reduziertes) und überhöhtes Selbsterleben; geringe Abhängigkeit von ,guten’ Selbstobjekten


Ziel der Sozialisation: Die Festigung einer stabilen geschlechtlichen Subjektidentität durch eigenes adäquates Machterleben (liebevolle Zuwendung der Mutter bei gleichzeitig angemessener spielerischer und lustvoll betonter aber auch Grenzen setzender sowie Halt gebender Rivalität mit dem Vater) ohne permanentes Angewiesensein auf bestätigende und spiegelnde elterliche Objekte und viele grandiose Gegenstände; befruchtendes Konkurrenzempfinden; Aufgeben der infantilen magischen Allmachtfantasien durch Annehmen des Realitätsprinzips infolge männlichen Rivalisierens und Begrenzens sowie weiblicher Akzeptanz des Anderen (Triangulierung durch männliche Rivalität und gleichzeitige weibliche Beachtung und Bindung); Loslösung von der Mutter unter Beibehaltung der Bindung zu ihr – Unterstützung der Loslösung durch emotional haltendes und spielerisches, körperbetontes und aggressives Rivalisieren mit dem Vater à Eingehen verbindlicher Beziehungen und Annehmen realer existenzieller Begrenztheit (die eigene Macht und Freiheit sind begrenzt; Vater symbolisiert Macht/ Vernunft/ Realitätsprinzip/ Über-Ich und begrenzende Umwelt, schützt aber auch vor dieser; man ist ein Teil unter vielen anderen)











Lebensalter: ab 6 Jahre
Psychoanalytisch: ausgereifte Geschlechtsidentität
Gestalttherapeutisch: Vollkontakt/ Selbst/ Loslassen der Identität



Abbildung: Vollkontakt (Mensch©)


Literatur

 


Anger, H., Schön, T. (2012). Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen, S. 49–65, Bergisch Gladbach: Andreas Kohlhage


Abraham, K. (1999). Psychoanalytische Studien. Bd. I, S. 165–226, Gießen: Psychosozialverlag


Arbeitskreis OPD (Hrsg.). (2006). Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik OPD-2, S. 97 f., 206–253, 1. Aufl., Bern: Hans-Huber, Hogrefe AG


Blankertz, S., Doubrawa, E. (2005). Lexikon der Gestalttherapie, S. 122–124, Originalausgabe, Wuppertal: Peter Hammer Verlag


Brisch, K. H. (2010), Bindungsstörungen – Von der Bindungstheorie zur Therapie, S. 36, 10. Aufl., Stuttgart: Klett-Cotta


Dammasch, F. (2010). Ritter ohne Schwert – unruhige aggressive Jungen und ihre inneren Beziehungsmuster. In K. H. Brisch, T. Hellbrigge (Hrsg.), Bindung, Angst und Aggression, (S. 72–83). Stuttgart: Klett-Cotta


Dreitzel, H. P. (2004). Gestalt und Prozess, S. 112–118, Abb. 15, 17, Bergisch Gladbach: Edition Humanistische Psychologie (EHP)

Ermann, M (2007). Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, S. 53–63, 5. überarbeitete Aufl., Stuttgart: Kohlhammer

Fairbairn, W. R. D. (2007). Das Selbst und die inneren Objektbeziehungen, S. 7 f., 89170, 171–184, 205–211, 257–266, Gießen: Psychosozialverlag

Goodman, P., Hefferline, R. F., Perls, F. S. (2006). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung, S. 312–322, 7. neu übersetzte Aufl., Klett-Cotta

Hügli, A. & Han, B. C. (2001). Heideggers Todesanalyse. In T. Rentsch (Hrsg.), Klassiker Auslegen, Bd. 25. Martin Heidegger, Sein und Zeit (S. 138). Berlin: Akademieverlag

Kernberg, O. F. (1998). Psychodynamische Therapie bei Borderline-Patienten, S. 98 f., 2. überarbeitete Aufl., Bern: Hans Huber

Klußmann, R. (1998). Psychosomatische Medizin, S. 923, 4. Aufl., Berlin, Heidelberg: Springerverlag

Mentzos, S. (2005). Neurotische Konfliktverarbeitung, S. 26, 42–50, 19. Aufl., Frankfurt am Main: Fischer Verlag

Müller, B. (2001). Ein kategoriales Modell gestalttherapeutischer Diagnostik. In R. Fuhr, M. Sreckovic, M. Gremmler-Fuhr (Hrsg.), Handbuch der Gestalttherapie, (S. 647–670). Göttingen: Hogrefe-Verlag

Reich, W. (2006). Charakteranalyse, S. 220–372, 405–409, 418–439, 449–469, 8. überarbeitete Aufl., Köln: Kiepenhauer & Witsch

Sartre, J. P. (2006). Das Sein und das Nichts, S. 833–848, 905, 970, 986–1052, 12. Aufl., Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuchverlag

Schultz-Hencke, H. (1951). Lehrbuch der Analytischen Psychotherapie, S. 16–39, 272–294 , Stuttgart: Georg Thieme

Wunderlich, G. (1996). Neurosen – Ein praktischer Leitfaden, S. 38–177, 2. Aufl., Stuttgart: Kohlhammer














1 Kommentar:

michael gloggnitzer hat gesagt…

Kompliment für die tolle Seite - sehr aufwändig und eine wirklich gute ergänzung/gegenüberstellung psychoanalytischer modelle und gestalttherapeutischer adaptation bzw. neuformulierung - gruss aus graz, michael gloggnitzer (iGT)
Psychotherapie-Gestalttherapie in Graz