Mittwoch, 20. August 2008

Der Baum der Identitäten - Ein Gleichnis



Im Grunde genommen kann man sich die Ontogenese des Menschen anhand eines stetig wachsenden und dabei der Sonne entgegenstrebenden Baumes vorstellen, der in seinem Wachstum ständig neue Umweltanforderungen bewältigen und hierzu seine Umwelt assimilieren muss, um in seiner Anpassung an die Lebensbedingungen existieren zu können. Dabei steht die Sonnenstrahlung metaphorisch für das einfallende Licht der Bestätigung, der Zuwendung und der Versorgung durch die Umwelt. Sie ist sozusagen die Lebensenergie. Das Licht entspricht der Vermittlung des Gefühls zu sein und zu existieren. Die Sonne gibt Seinsempfinden, Wärme und sorgt für die essentiellen Bedürfnisbefriedigungen, die das Überleben sowohl des Baumes als auch des Menschen sicherstellen.
Bis zur ersten Zurückweisung essentieller Grundbedürfnisse wächst nun der Baum als einheitlicher und kräftiger Stamm empor und drängt nach seiner biologischen Erfüllung, nach Existenz und Überleben. Dies ist der frühkindliche, narzisstische und omnipotente Stamm der maximalen Seinsempfindung ohne jegliche Anzweiflung des Seins samt seiner Triebstrebungen. Er ist der kräftige Stamm, in dem noch alle Selbstanteile ungeteilt, vereint und miteinander versöhnt emportreiben dürfen ohne von der Umwelt sanktioniert und zurückgewiesen zu werden. Bald kommt es aber zu wesentlichen Veränderungen. Auf derjenigen Wachstumshöhe, auf welcher dieses primär-narzisstische Omnipotenzempfinden zwangsläufig durch ein Hindernis aus der ,rauen’ Umwelt versagt wird und der ursprünglich allumfassende Selbstentwurf, der noch keiner existenziellen Beeinflussung und damit Formung unterlag, einer Anpassung an die erwünschte Umwelt bedarf, bilden sich die ersten Äste der einzelnen angepassten Seinsentwürfe heraus. Das Hindernis der Umwelt wird genau nach dessen Bedingungen umgangen, um mit dieser Abweichung das bisherige maximale Seinsempfinden erneut gespiegelt zu bekommen. In dieser Anpassung der Introjektion des Hindernisses formen sich die nun erstmals getrennt wachsenden Äste nach dem Bild des Hindernisses, um unbewusst aus dessen Selbstentwurf heraus positiv gespiegelt zu werden und nicht als Widerstand negativ aufzufallen und hierdurch an Zuwendung einzubüßen. Aus der bedürfnislosen primär-narzisstischen ,Ursuppe’ der psychischen Omnipotenz und des uneingeschränkten Glücks entsteht durch ein organismisches Defizit – eine vitale Triebstrebung wie Hunger – eine innere Bedürfnisspannung, die nur durch ein äußeres Objekt befriedigt werden kann. Es taucht sozusagen ein auf die Umwelt gerichtetes Streben nach dem versorgenden Objekt auf. Dabei wird psychisch erstmalig eine an die Bedingungen des versorgenden Objekts angepasste und gebahnte Triebstrebung herausgebildet, welche auch zukünftige organismische Defizite ausgleichen soll. Gleichzeitig werden dabei aber die vom Objekt unerwünschten Bestrebungen zurückgedrängt und zukünftig intrapsychisch durch das angepasste Introjekt ferngehalten. Damit bekommt jedes Introjekt sowohl eine unerwünschte unterdrückte als auch eine erwünschte unterdrückende Seite (Täter/Opfer). Diese Art und Weise des ersten regelmäßigen aber ambivalenten Objektkontakts zur primären Bedürfnisbefriedigung bildet das grundlegende innerseelische und ebenso ambivalente Primärintrojekt. Und es hängt von der Festigung des grundlegenden und unbewussten organismischen Empfindens des Gut-seins im primären Entwicklungsstadium des ungeteilten Baumstammes sowohl durch einen zugrundeliegenden ,nährstoffreichen Boden’ als auch durch genügend Sonnenstrahlung ab, inwieweit das nun ambivalente Primärobjekt in Gut und Böse gespalten – der Baumstamm also aufgegabelt und verästelt – werden muss. Kann sich der Mensch durch bedingungslose Akzeptanz seitens seiner Umwelt zunächst in allen seinen Strebungen ohne ständige existenzielle Bedrohung angstfrei annehmen, dann kann er auch seine von der Umwelt ungeliebten Selbstanteile als weniger gefährlich an sich wahrnehmen und muss so nicht rigoros zwischen erwünschten und unerwünschten Selbstanteilen spalten. Dies führt letztlich zu einer grundlegenden innerseelischen Stabilität oder eben auch zu ihrem Gegenteil.
Der Baum wächst jetzt aber nicht einfach nur noch mit einem einzigen Ast um das Hindernis herum. Er treibt vielmehr die unterdrückte Triebkraft des Bedürfnisses nach Seinsspiegelung in weitere vielzählige Äste sowie Blätter und wächst mit diesen nun andere und vor der Sonne versteckte Wege um das Hindernis herum. Sämtliche die Beziehung durch das versorgende Objekt gefährdenden und unerwünschten Bedürfnisstrebungen werden als existenziell bedrohlich und folglich als nicht dem Ich zugehörig empfunden. Da sie nun aber nicht mehr gegen das Objekt gerichtet werden können, bleiben sie unterdrückt und zurückgelenkt im Individuum selbst zurück und bedrängen so das gute und von der Welt akzeptierte angepasste Ich. Die empfundene Bedrohung im Falle einer Bewusstwerdung sich widersprechender Äste ist eine ausgeprägte Existenzangst, die Ausdruck in Scham- sowie Schuldgefühlen und Minderwertigkeitsempfinden gegenüber den unerwünschten Anteilen findet. Ein immer größerer Teil der umfassenden frühen und nun abgelehnten Identität, die ursprünglich reine organismische Bedürfnisvielfalt bedeutete, führt hierdurch bald ein gefährliches Eigenleben abseits der sozialen Realität, was bei Verselbständigung derselben bis zu ausgeprägter Delinquenz und paranoider Verfolgung durch die eigenen Selbstanteile führen kann. Zu diesen Objektstrebungen, die das Seinsempfinden vermitteln sowie die biologische Existenz sichern sollen, gehören zunächst insbesondere die Triebstrebungen. In diesen Verstecken wachsen hinter dem Hindernis alle diejenigen Äste und Blätter heran, welche mit ihren Auswüchsen keine ausreichende Seinsbestätigung zu erhalten drohen, da sie als unerwünscht gelten. Dennoch waren diese Strebungen auch in der frühesten Objektbeziehung präsent und wurden erst nach ihrer Zurückweisung abgelehnt. Sie sind damit definitiv Teil des Seins. Dies führt dazu, dass sie auch grundlegender negativer Bestandteil des ersten psychischen Kern-Ichs sind und damit zu widersprüchlichen inneren Leitsätzen werden. Später werden sich diese ambivalenten und sich widersprechenden Leitsätze der Introjektanteile innerseelisch derart bekriegen und bekämpfen, als gehe von ihnen noch immer dieselbe Gefahr des Liebesverlustes aus wie zur Zeit ihrer Introjektion. Problematisch dabei ist, dass die Ambivalenz über Generationen hinweg weitergegeben wird, sollte sie nicht durch Selbsterfahrung reflektiert, bewusst gemacht und angenommen werden. Es kostet viel Kraft, diese Schuldgefühle einflößenden Identitätsanteile anhaltend aus dem Bewusstsein fern zu halten und sie psychisch aufwendig abzuwehren. Es kann aber nur mit allen Trieben, Strebungen und Blättern gemeinsam irgendwann einmal wieder das volle Seinsempfinden durch die Sonnenstrahlung erreicht werden, da das frühe Ich mit seinem Entwurf vom guten und annehmbaren Ich immer auch von seinen durch das versorgende Objekt abgelehnten Strebungen in seinem Angenommensein bedroht wird. Verästelung bedeutet also zunehmende neurotische Infragestellung und Ich-schwächung. Erst alle unzähligen Auswüchse des Baumes zusammen bilden die Grundlage für einen frei wählbaren Seinsentwurf. Die im Schatten des Hindernisses wachsenden bösen Äste führen jedoch ein vereinzeltes Dasein. Der dagegen im Licht treibende gute Ast soll zunächst allein das ganze Seinsempfinden vermitteln, indem er sich seiner Umwelt übermäßig anpasst, wobei er aber dennoch von ihrer Spiegelung abhängig bleibt. Das muss letztlich irgendwann an Schwäche des einzelnen angepassten Astes scheitern. Wie kommt es überhaupt zur Aufspaltung der Äste? An der Stelle der ersten Aufgabelung vom Hauptstamm spürt der Organismus, dass er seine Objektumwelt benötigt, um von ihr existenziell versorgt zu werden. Er ist sich also auf vegetativer Ebene erstmals seiner Abhängigkeit von ihr bewusst und muss hierzu zum ersten Mal in seinem Leben einen Versuch unternehmen, sich selbst ein Gefühl des Seins und Angenommenwerdens zu vermitteln. Hier muss die plötzlich empfundene Existenzangst mit dem noch sehr undifferenzierten und dem mehr emotional-somatischen als kognitiven Gewahrwerden von Vereinzelung und allem Sein zum Tode erstmals abgewehrt werden. Dadurch wird erstmalig die psychische Ursuppe glücklichster Spannungs- und Bedürfnislosigkeit gestört. Der Organismus erlebt zum ersten Mal eine existenzielle Bedrohung, da er etwas bestimmtes sein muss, um seine Bedürfnisse befriedigt zu bekommen. Es kommt zur ersten Erschütterung des primären Narzissmus durch an ihn gestellte und ihn in seiner Freiheit einschränkende Bedingungen für eine weiterhin vollständige und unmittelbare Bedürfnisbefriedigung. Damit müssen eben auch erstmals einige Strebungen der psychischen Ursuppe spezifischer ausgeformt sowie kristallisiert werden. Andere dagegen müssen aufgeschoben, unterdrückt und zurückgebildet beziehungsweise gegen den Baum verkrüppelt zurückgelenkt werden. Der Mensch erfährt hierbei erstmalig eine Einschränkung seiner Existenzmöglichkeiten und damit auch seiner Wahlfreiheit im Selbstentwurf. Erweist sich die progressive Ablenkung vom Nichtseinskomplex durch Umgehen des Hindernisses und Anpassen an selbiges als einigermaßen erfolgreich, wird auch bei späteren Seinsgefühlversagungen auf die Technik der früheren neurotischen Aufgabelungen von angepassten Seinsentwürfen zurückgegriffen. Damit gleicht man sich dem versagenden Objekt charakterlich immer mehr an. Übersteigt dagegen die neuerliche Versagung der Existenzberechtigung durch eine zu starke Zurückweisung weiterer unerwünschter Strebungen durch ein versorgendes Objekt im aktuellen Entwurf jedoch ein gewisses Ausmaß, so kommt es zu einem Zusammenbruch des ohnehin überangepassten und geschwächten Selbstentwurfs und damit zu einem regressiven, schizoiden Rückzug des Lebenssaftes des Baumes zu derjenigen früheren Aufgabelung, an welcher grundlegende und vitale Strebungen noch zum Selbstentwurf gehörten und das Ich in seiner Akzeptanz dieser Strebungen stabilisierten. An dieser früheren Stelle vor der erneuten Aufgabelung standen dem Ast noch Strebungen und Triebe zur Verfügung, die ihm halfen, sich seine Bedürfnisse nach Selbsterhalt und Überleben zu sichern. Hierzu gehören freilich auch vitale aggressive Strebungen gegen versagende und lebensbedrohliche Objekte. Erst wenn diese aggressiven Strebungen die Bedürfnisbefriedigung längerfristig gefährden, werden auch diese als bedrohliche Selbstanteile unterdrückt und der Ast verliert weiter an Vitalität. Vor der ersten Aufgabelung des primären Stammes in viele reduzierte Äste kann der Stamm noch im Falle einer massiven Zurückweisung auf diese vitalen und archaischen Abwehrmechanismen zurückgreifen und sich gegen das bedrohliche Objekt wehren. In diesem Fall wird das neuerlich die Sonnenstrahlung verhindernde Objekt in der gleichen Art und Weise bekämpft wie das einstige Hindernis des frühen Wachstumsstadiums. Die neue Versagung löst also die früheren Hindernisbekämpfungsmechanismen wieder aus mit dem Ziel, die Äste – die Seinsmöglichkeiten – nicht wieder aufgabeln, teilen und somit erneut schwächen zu müssen wie einst bei der allerersten Aufgabelung grundlegender und umfassender Entwurfanteile. Es geht hier um das Wiedererlangen der uneingeschränkten Seinsberechtigung mit allen Anteilen des Selbst wie zur Zeit des gerade erst geborenen Säuglings. Solche Abwehrmechanismen sollen das Auftauchen existenzieller Ängste verhindern und von ihnen ablenken. Ursprünglich sind diese Mechanismen gar keine Abwehrversuche, sondern objektgerichtete Triebstrebungen der psychisch undifferenzierten Ursuppe mit dem Ziel, durch diese in der Umwelt eine Bedürfnisbefriedigung und später auch Seinsbestätigung zu erfahren. Erst durch die Zurückweisung aus der Umwelt werden einige von ihnen unterdrückt und auf das Subjekt zurück gelenkt, um weiterhin das Gefühl eines guten und annehmbaren Selbst durch weitere positive Spiegelung aus der Umwelt zu erhalten. Das Ausmaß der Rückwendung (Über-Ich) auf das Subjekt stellt demnach die Schwere der Psychopathologie dar. Bei fortgeschrittener Rückwendung der unerwünschten Strebungen nimmt sich das Subjekt dann selbst zum Objekt. Diese Muster bergen in sich immer Impulse zur Unterdrückung unerwünschter Anteile sowie zur Selbststimulation im Falle des Ausbleibens positiver Bestätigung und Versorgung durch die Objekte der Umwelt. Der Organismus geht in diesem Fall mit sich selbst – seinen unterdrückten Introjekten – ersatzweise für das reale Objekt in Kontakt und in Beziehung und bekämpft an sich selbst seinen unerwünschten Teilentwurf, der den einseitig guten Selbstentwurf zu überschwemmen und vermeintlich zu vernichten droht. Diese Abwehrmechanismen halten den Organismus sozusagen unter psychischer Anspannung, um sich der anderen scheinbar destruktiven Selbstanteile nicht gewahr zu werden. Übrigens ist das auch genau der Grund, warum unterdrückte Selbstanteile einzig im Schlaf oder unter schlafähnlichen Bedingungen eine Chance haben, sich deutlicher bemerkbar zu machen und ihr Recht auf Existenz einzufordern. Nur in diesem körperlich spannungslosen Zustand treten die wachenden und neurotisch überspannten Selbstanteile (Introjekte) zurück und gewähren auch unterdrückten Anteilen ein gewisses Maß an psychischer Präsenz. Zur Ablenkung eignen sich alle organismischen Strebungen, die den Organismus reizen und so dessen Bewusstsein auf den Reiz lenken. Dabei kann sich der Organismus nicht gleichzeitig in seinem Nichtsein erfassen und Existenzangst empfinden. Hierbei bilden besonders die primären und vitalsten Objektstrebungen aufgrund ihrer gebündelten Reizung des Organismus ein passendes Ablenkungspotenzial. Da aber gerade diese Strebungen häufig aus dem Selbstentwurf verbannt wurden, müssen sie nun am Subjekt selbst ausgeübt werden, wobei sich das Subjekt teilweise selbst zum Zielobjekt seiner Triebstrebungen nimmt. Es wird quasi ein realer Objektkontakt imitiert, jedoch ohne dabei durch das versagende Objekt bedroht zu sein. Hierzu eignen sich unzählige an Triebstrebungen gekoppelte Handlungssequenzen wie beispielsweise Rauchen, Essen, Sexualität, Selbstverletzen oder auch das Intellektualisieren im inneren Dialog. Paradox ist hierbei, dass neue Versagungssituationen sowohl die frühere Existenzangst auslösen als auch die Chance bieten, den einst verlorenen Kampf gegen das versagende Objekt nunmehr bestehen und die volle Seinsmöglichkeit zurückgewinnen zu können. Denn in zwischenmenschlichen Situationen, welche früheren Versagungssituationen ähneln, kann diesmal vielleicht eine Zurückweisung des versagenden Objekts und eine Selbstbehauptung gegenüber diesem mittels vitaler Abwehrstrebungen stattfinden, ohne diese hierzu längerfristig doch wieder aus dem Entwurf abspalten und unterdrücken zu müssen. Gleichzeitig kann dabei die Erfahrung gemacht werden, dass man in seinen Triebstrebungen überhaupt nicht derart bedrohlich für die Umwelt ist und diese einem das Sonnenlicht nicht mehr versagt, was wiederum die Selbstakzeptanz wesentlich erhöht. Zudem ist man nicht mehr existenziell von einem Bezugsobjekt abhängig. Schließlich besteht in einer solchen Situation nicht mehr die frühkindliche und existenzielle Abhängigkeit vom Objekt, wie sie noch zwischen dem Kleinkind und der versorgenden Bezugsperson besteht. Damit stellen diese Zurückweisungen immer auch Versuchungssituationen mit der Möglichkeit einer Reintegration früher abgelehnter Selbstanteile dar. Ich behaupte sogar, dass man überhaupt nur solchen Menschen gegenüber eine Art Anziehung sowie eine damit ebenfalls einhergehende Ablehnung verspürt, die den verinnerlichten Bezugspersonen – den Introjekten – in gewisser Weise ähneln. Die einverleibten Objekte prägten das Seelische wie kein anderes späteres Objekt der individuellen Entwicklungsgeschichte. Folglich fand ihr Einfluss den größten psychischen Niederschlag im Subjekt. Damit bilden diese Introjekte auch den einzigen ,Beziehungsdraht’ zur Umwelt. Entweder werden die späteren Beziehungspersonen den einstigen Objekten in der subjektiven Wahrnehmung durch Verzerrung und Projektion ähnlich gemacht, da man nichts anderes kennt, oder man geht generell nur Beziehungen zu solchen Menschen ein, die den früheren Bezugspersonen in ihrem Charakter tatsächlich sehr ähneln. Dies erklärt, warum wir so viele frühere Beziehungserfahrungen immer wieder so leicht inszenieren. Diese Inszenierungen stellen wahrscheinlich die einzige Möglichkeit der Kontaktaufnahme des Individuums zu späteren Objekten dar. Sie bilden sozusagen die aufgespielte Beziehungs- und Kontaktsoftware in mir. Später geht es um das Erkennen dieser Software und um ihr Umschreiben, um befriedigendere Beziehungen führen zu können. Freilich dient das Festhalten an der Software auch der Vorhersagbarkeit von Beziehungen und damit einer gewissen Sicherheit im Kontakt. Lieber destruktive Beziehungen als möglicherweise gar keine.
Die Äste für sich genommen sind ohne die anderen schwach, begrenzt und von Anzweiflung bedroht. Dennoch sind alle Triebe bereits gewählt und müssen verantwortet werden. Nur alle Triebe, Äste und Blätter gemeinsam können die volle Sonnenstrahlung zu maximalem Seinsgefühl verwandeln, welches nun auf Selbstakzeptanz aufbaut. Ist ein Baum krank, weil er seine Äste zu sehr angepasst und vergabelt hat, wodurch zu viele dieser Äste ein Dasein im versteckten Schatten führen, kann er die Sonnenstrahlung nicht voll in Lebenssaft und -energie umsetzen. Die im Schatten existierenden Äste müssen in einer schützenden und vertrauensvollen Umgebung, die nicht der existenziellen Bedrohung des einstigen Hindernisses entspricht, zurück ins Licht und damit wieder zu ihren benachbarten Ästen in die Sonne geführt werden. Es bedarf hierzu einer authentischen, empathischen und letztlich wirklich vertrauensvollen Beziehung, um alte Muster ohne Angst vor Zurückweisung überprüfen und korrigieren zu können statt sie durch eine neuerliche Bestätigung der Bedrohung zu verfestigen. Manchmal muss man dabei mit seinen aktuellen Bekämpfungsgewohnheiten und den dazu gehörenden Gefühlen weit in die Vergangenheit und bisweilen sogar bis ganz zurück zur ersten Verzweigung des vitalen Stammes gehen, um zu erkennen und zu erfahren, dass das neuerliche und scheinbar bedrohliche Hindernis in keiner Relation zum einst gefürchteten Hindernis der Kindheit und Jugend steht, und dass man grundlegend richtig in dieser Welt ist und in ihr sein darf. Es geht letztlich also darum sich durch einen inneren freundschaftlichen Dialog zwischen den übermäßig bewertenden und bewerteten Introjekten von unangemessener und einseitiger Unterdrückung lebenswichtiger Vitalität zu befreien und hierdurch wieder offener und freier mit der Umwelt in Kontakt treten zu können. Diese Selbstakzeptanz eigener natürlicher Bedürfnisse führt zu einem grundlegenden positiven Seinsgefühl. Ein solches positives Seinsgefühl wiederum macht eine massive, aggressive und generell wenig sozial verträgliche Verteidigung gegen Anzweiflung von außen zunehmend überflüssig. Ein erneuter Kampf gegen das ursprünglich versagende Hindernis sowie die daraus folgende weitere Aufgabelung der Seinsentwurfäste infolge des verlorenen Kampfes werden unnötig. Der frühere Felsen, um den der Baum zum ersten Mal getrennt herum wachsen musste, existiert nicht mehr. Im Gewahrwerden der jetzigen Gefahrlosigkeit können die sich scheinbar widersprechenden Äste durch eine mutige und verantwortungsvolle Neuwahl derart liebevoll zu einer integrierten und vitalen Identität versöhnt werden, als hätten die Eltern nachträglich hierzu tatsächlich ihre Erlaubnis erteilt. Erst im Zuge dieses Integrationsprozesses steht man der Welt mit einem guten Selbstempfinden offener und auf festerem Stamm gegenüber und kann sie assimilieren sowie genießen ohne innerlich ängstlich auf wenige einseitige und dünne Äste beschränkt zu bleiben.

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