Andreas Mensch
Die menschlichen Triebstrebungen erzeugen bei der
Befriedigung am Objekt eine starke Sinnesreizung und bewirken im Bewusstsein
eine dominierende Präsenz und Prägnanz. Man könnte auch sagen, dass so etwas
wie Bewusstsein oder ein Ich-Empfinden überhaupt erst durch das spürbare
Einwirken äußerer aber auch innerer Reize auf den Organismus entsteht, wobei
die Reize eine vegetative Stimulation in ihm bewirken, die wahrgenommen werden
kann. Alle diese primären körperlichen Strebungen wie die des Dranges nach
Berührtwerden, Nahrungsaufnahme, Kotausscheiden, Atmen oder auch Fortpflanzen
bewegen sich libidinös vom frisch geborenen Säugling hin zum Objekt, welches
diese Bedürfnisse zur Existenzsicherung des Individuums befriedigen soll. Der
Organismus ist dadurch zunächst nichts anderes als ein durch und durch
libidinös drängendes und nach außen strebendes Bedürfnis, um seine eigene
Existenz zu sichern. Damit sind diese Strebungen von Beginn an auch aggressiv
(vgl. Mentzos, 2005, S. 26) – im Sinne des Verständnisses von adgredi: an etwas oder jemanden herantretend
(vgl. Schultz-Hencke, 1951, S.
33). Treffen diese Strebungen (organismischen Bedürfnisse) dann auf positive
Resonanz beim Objekt und werden sie von diesem befriedigt, dann empfindet sich
der Säugling durch lustvolle erotische vegetative Stimulation in ihm selbst als
angenommen. Dabei wird unter anderem das Bindungshormon Oxytocin im Organismus
ausgeschüttet, das für ein Empfinden von Vertrautheit, Entspannung und
Sicherheit sorgt (vgl. Brisch, 2010,
S. 36). Das Bewusstsein des Säuglings von sich als angenommenes Sein ist zu
dieser Zeit tatsächlich noch nichts anderes als dieses rein lustvolle,
vegetative und erotische Empfinden im Organismus. In dieser Befriedigung des
liebevollen Angenommenwerdens vom Objekt ist der Säugling mit ihm identifiziert
und noch psychisch verschmolzen. Er ist sozusagen das befriedigende und
versorgende Objekt selbst und bekommt in der Spiegelung dieser Befriedigung ein
erstes objektives (somatisch-vegetatives) aus dem Hintergrund der Seinsleere
heraustretendes Bild von sich selbst, eine erste Teilselbstrepräsentanz von
sich als ein Objekt, mit dem er sich als Subjekt identifiziert. Objekt und Subjekt
sind also zunächst dasselbe, was auch erklärt, warum man sich selbst und andere
immer wieder unbewusst wie ein Objekt behandelt, obwohl man das Gefühl hat,
subjektiv zu sein und auch so zu handeln. Man ist – metaphorisch
gesprochen – sozusagen von Geburt an (und
möglicherweise auch schon davor) ein vorerst somatisch-vegetativer und dann
auch psychischer ,Abdruck’ seiner versorgenden Bezugsobjekte, die sich wie ,Stempel’
mit ihren Seinsspiegelungen in den Organismus ,einprägen’. Die tieferen
Konturen des Stempels allerdings lehnen Strebungen des Säuglings zunächst nur
von außen durch die versagende Bezugsperson ab. Dann werden diese Strebungen
jedoch ohne das Zutun des Objekts auch bald vom Subjekt selbst an sich
abgelehnt. Das äußere ,Stempelprofil’ wird also zu einem verinnerlichten
Profil. Die weniger tiefen Eindrücke lassen die Strebungen gewähren und befriedigen
sie von außen. Später werden sie aufgrund des verinnerlichten Gewährens auch
vom Subjekt selbst befriedigt. Diese grundlegende Prägung füllt die Seinsleere
im heranwachsenden Organismus. Das Angenommenwerden vermittelt dem Kind also
auf somatisch-vegetativer Ebene ein erstes grundlegendes Gefühl, gut und
liebenswert zu sein. Dagegen erzeugen einige andere Bedürfnisstrebungen in
vegetativer Hinsicht eine aggressive und bisweilen schmerzhafte, unlustvolle
Ablehnung vom Objekt, da sich dieses womöglich von den aggressiven Strebungen
des Säuglings überfordert oder gar verletzt fühlt. Das Zielobjekt weist diese
Strebungen aggressiv zurück, verweigert deren Befriedigung und lehnt sie
teilweise oder gänzlich ab. Der Säugling empfindet hierauf in seinen vom Objekt
abgelehnten Strebungen sowohl sich selbst als auch das ablehnende Objekt als
aggressiv und existenziell bedrohlich und verinnerlicht hierbei das Empfinden,
grundlegend böse und gefährlich zu sein. Auch dieses Empfinden grundlegender
Ablehnung und Zurückweisung besteht zunächst nur aus schmerzvollen vegetativen
Stimulationen, die von den aggressiven und zurückweisenden Reizen der
Umweltobjekte ausgehen und auf den Organismus des Säuglings und des Kleinkindes
einwirken. Inwieweit jedoch die verinnerlichten aggressiven Zurückweisungen und
entsprechenden unerwünschten Selbstanteile dann aber existenziell bedrohlich
für das erotische Empfinden des grundlegenden Gut-seins sind, hängt von der
primären positiven Zuwendung der Bezugswelt des Menschen ab. Je positiver und
tiefgreifender die primäre Zuwendung ist, desto weniger stark erfolgt die Spaltung
des grundlegenden Selbst. In diesen gegensätzlichen positiven und negativen
Reaktionen des Zielobjektes und in dem hierauf folgenden somatisch-vegetativen
Empfinden grundlegend gut und böse zu sein, bildet der Säugling seine primären
gespaltenen Selbst- und Objektrepräsentanzen (primäre Seinsentwürfe) aus. Es
bildet sozusagen aus der Resonanz seiner Umwelt auf seine Impulse ein bewertetes
Bild von sich aus; eine Art Reflexion von seinem Selbst. Mit erotischer
Befriedigung und aggressiver Versagung werden auch die in der Situation
befindlichen Umweltreize sinnlich wahrgenommen und an das positive oder negative
Erlebnis – an die jeweilige Triebstrebung –
unbewusst prägend gekoppelt. So können bestimmte Gerüche, Geräusche, Geschmäcker,
Farben und ähnliches diese frühen und zunächst noch rein somatisch-vegetativen
Entwurfanteile mit ihren starken positiven oder negativen emotional-vegetativen
Komponenten regressiv mobilisieren (triggern). Beide Qualitäten, sowohl das
lustvolle erotische (libidinöse) als auch das unlustvolle aggressive
(antilibidinöse) Streben, führen zu einem ausgeprägten Spüren der eigenen
Grenzen und des eigenen Seins über somatisch-vegetative Reizungen, die
prälogisch im Bewusstsein erfasst und dann (Zeit des Sprechens, der
Symbolisierung, der sekundären Denkvorgänge) zu einem Teil des Unbewussten werden.
Schlussfolgernd erweisen sich damit frühkindliche Triebstrebungen mit ihrer
Fähigkeit, den ganzen Organismus sinnlich sowohl lustvoll erotisch als auch
unlustvoll aggressiv zu reizen und dadurch das Bewusstsein zu bündeln, als
optimal zur Ablenkung von dem Empfinden innerer existenzieller Leere. Der noch
psychisch ,leere’ und nur mittels seiner objektgerichteten Triebstrebungen mit
der Umwelt Kontakt aufnehmende Säugling braucht zunächst auf somatischer Ebene
feste Bezugspunkte in der Umwelt als primäre Triebziele, um sich in der
Interaktion seiner Strebungen mit den Bezugsobjekten selbst als physisch und
später auch psychisch reflektierend seiend zu spüren, also als ein
existierendes Objekt. In den Triebstrebungen zum Objekt nimmt das Individuum
sozusagen einen interindividuellen Kontakt zwischen sich (als Subjekt) und der
Welt (als Objekt) auf, was wiederum ein primäres In-Situation-sein bedeutet
(vgl. Sartre, 2006, S. 833 ff,
905). In dem Triebvollzug, in dem alle Sinne stark gereizt werden und sich das
Individuum physisch wahrnimmt, wird der Säugling zunächst physisch vom
Bezugsobjekt als existierend gespiegelt. Wenn im weiteren Verlauf der
Ontogenese einige Triebstrebungen des Subjekts durch Zurückweisung derselben
aus der Umwelt zunehmend vom Subjekt selbst unterdrückt werden müssen, um von
seiner Umwelt dennoch als liebenswert empfunden zu werden, kommt es allmählich
zu einer Ausdifferenzierung der Triebstrebungen in solche, die lustvoll
erotisch vom Objekt verstärkt und angenommen werden (als positives Selbstbild
bewertet) und andere, die vom Objekt aggressiv zurückgewiesen, abgelehnt und
dadurch unterdrückt werden (als negatives Selbstbild). Je nachdem, welche
Triebstrebungen durch das Zielobjekt verstärkt (erotisch angenommen) oder
gehemmt (aggressiv abgelehnt) werden, kommt es zunächst auf
somatisch-vegetativer Seinsebene einerseits zu einer erotischen Besetzung
einiger Triebstrebungen und andererseits zu einer aggressiven Besetzung
wiederum anderer Triebstrebungen. Diejenigen Strebungen, welche vom Objekt
abgelehnt werden, erzeugen beim Subjekt sowohl gegenüber dem Objekt als auch
sich selbst aggressive somatisch-vegetative und emotionale Erregungen (später
Scham). Dagegen verursachen die vom Subjekt ausgehenden und vom Objekt
angenommenen Bedürfnisstrebungen gegenüber dem Objekt und dem Subjekt selbst
erotische somatisch-vegetative und emotionale Erregungen (später Lust). Beide
diametralen Erregungen erzeugen im Kontakt mit der Umwelt ein starkes
sinnliches Seinsgefühl. Jedoch werden die ursprünglich neutralen organismischen
Strebungen von nun an in positiv (mit Zuwendung belohnt) und negativ (mit
Versagung bestraft) bewertete Selbstbilder (Reflexionen) gespalten. In der
Konsequenz des liebevollen Annehmens erotischer Strebungen durch die Umwelt
werden diese Strebungen unbekümmert und viel Sein versprechend auf das Bezugsobjekt
gerichtet. Dagegen müssen die abgelehnten aggressiven Strebungen wegen ihrer
vermeintlichen Gefährlichkeit für das Bezugsobjekt von diesem teilweise oder
ganz weg und autoaggressiv auf den Säugling zurück gelenkt beziehungsweise
vollständig unterdrückt werden, was zu einer emotionalen und
somatisch-vegetativen Einengung im Organismus führt und später zu einem tiefen
existenziellen Zweifel am grundlegenden Gut-sein. Diese Rückwendung abgelehnter
aggressiver Triebstrebungen durch den reflektierenden und über das positive
Selbstbild wachenden eigenen Organismus bildet die primäre verwehrende und
abwehrende Objektrepräsentanz im Organismus. Dabei werden die abgelehnten Strebungen
genau in der Quantität und Qualität vom Subjekt selbst gegen das Subjekt zurückgelenkt,
so wie diese zuvor vom versorgenden Objekt zurückgewiesen wurden. Der Organismus
wendet diese versagten Strebungen nun zunächst wieder rein somatisch-vegetativ
selbständig gegen sich selbst und bildet somit eine verinnerlichte versagende
und aggressive Objektrepräsentanz der Bezugsperson in sich aus, welche den
Organismus in einer bestimmten Weise eingrenzt. Aus diesem verinnerlichten
Eingrenzen entsteht dann auch ein grundlegendes abgelehntes Empfinden von sich
selbst, eine negative Subjektteilrepräsentanz. Die erotischen Strebungen dagegen,
die vom Objekt angenommen werden, führen zu einer Verinnerlichung des
versorgenden, gewährenden und annehmenden Objekts der Bezugsperson im
Organismus und damit auch zur Ausbildung einer primären gewährenden
Objektteilrepräsentanz. Diese verinnerlichte gewährende Objektrepräsentanz
wiederum lässt nun innerseelisch die Triebstrebungen gewähren und verleiht dem
Organismus dadurch ein grundlegendes angenommenes und erotisches Empfinden von
sich selbst, die positive Subjektteilrepräsentanz. Die Verinnerlichung der
Versagung oder Gewährung von komplexen organismischen Strebungen führt also
letztlich zur grundlegenden Ausbildung von sowohl Objekt- als auch
Subjektrepräsentanzen, wobei die verinnerlichten Objekte die
Subjektrepräsentanzen stellvertretend für die realen Bezugspersonen
kontrollieren, überwachen und behandeln. Die verinnerlichte und als aggressiv
erlebte versagende Bezugsperson unterdrückt sozusagen intrapsychisch aggressiv
die von ihr einst aggressiv zurückgewiesenen Strebungen. Entsprechend fördert
die als gewährend erlebte verinnerlichte Bezugsperson die von ihr einst
gewährten Strebungen auch intrapsychisch.
Wie
Reich (2006, S. 405 ff, 418 ff)
feststellte, werden die verwehrten Triebstrebungen durch ihre eigene vegetative
Triebenergie teilweise gegen das Subjekt selbst zurückgelenkt. In dieser ersten
Zurücklenkung von Strebungen gegen sich selbst und deren Gewährung
verinnerlicht der Säugling ein erstes ambivalentes somatisch-vegetatives Bild von
sich und entwickelt so ein grundlegendes, spürbares, vegetatives Bewusstsein
von sich selbst. Wird jedoch der Kontakt zur Umwelt durch eine mangelnde
Verfügbarkeit des Bezugsobjekts unterbrochen, dann kommt es zum Auftreten einer
existenziellen Seinsleere (Sinnleere) und damit zu einem Empfinden einer
physischen und psychischen Auflösung (Nichtung). Dann muss sich der Organismus
mittels seiner Bedürfnisstrebungen autoerotisch oder autoaggressiv selbst
stimulieren, indem er seine Strebungen auf sich selbst zurücklenkt, als wäre er
das Bezugsobjekt (Teilobjektrepräsentanz), aus welchem heraus er sich als
Subjekt (Teilsubjektrepräsentanz) behandelt. Die zuvor nur seitens des Objektes
erfahrene erotische und aggressive intersubjektive Kontaktaufnahme wird hierdurch
zu einer erotischen und aggressiven intrapsychischen Kontaktaufnahme der verinnerlichten
Teilobjektrepräsentanzen mit den Teilsubjektrepräsentanzen. Damit wird der
eigene Organismus wie ein Objekt liebevoll autoerotisch oder entwertend
autoaggressiv behandelt. Empfand sich das Individuum zuvor überwiegend als
positiv und erotisch vom Objekt gespiegelt, dann behandelt es sich jetzt selbst
ohne Objekt ebenfalls als gut und erotisch. Wurde es dagegen eher negativ als
aggressiv und gefährlich gespiegelt, behandelt es sich nun bei Kontaktabbruch
ohne das reale Objekt ebenfalls als böse und aggressiv. In seiner Interaktion
mit der Objektwelt erhält das Subjekt ein aus dem Blickwinkel des Objektes
erfahrenes Bild von sich selbst, verinnerlicht dieses als Teilsubjektrepräsentanz
und behandelt sich selbst schließlich auch entsprechend diesem Bild. In der
Verinnerlichung sowohl des behandelnden Bezugsobjektes (Objektrepräsentanz) als
auch des in der Behandlung von ihm empfundenen Bildes von sich selbst (Subjektrepräsentanz)
verankert das Individuum grundlegende Betrachtungsweisen sowohl von seiner
Umwelt als auch von sich selbst. Man könnte diese primären Teilobjekt- und
Teilsubjektrepräsentanzen auch als primäre Seinsentwürfe bezeichnen. Der
Organismus behandelt dann nicht nur sich selbst in der Weise, wie er zuvor vom
realen Objekt behandelt wurde, sondern er behandelt nunmehr seine gesamte
belebte und unbelebte Umwelt nach diesem Bild des einst realen und nun
verinnerlichten Objektes, welches stellvertretend für alle äußeren Objekte
steht, da es den ersten und prägenden Bezug zur Außenwelt überhaupt darstellt.
Bricht der Kontakt zur Umwelt also ab, behandelt sich der Mensch selbst und
seine unbelebte Umwelt in der Weise, wie er zuvor anhaltend von den Bezugsobjekten
bezüglich seiner Triebstrebungen behandelt und gespiegelt wurde. Das Subjekt
geht mit sich selbst demnach autoerotisch und/oder autoaggressiv in Kontakt.
Sowohl im Falle eines realen Beziehungsabbruchs zwischen dem Subjekt und seinem
versorgenden Objekt als auch im Falle eines innerseelischen Kontaktabbruchs zur
Außenwelt durch zu viele gehemmte, unterdrückte und zurückgelenkte aggressive
Triebstrebungen kommt es zur empfundenen Auflösung und Fragmentierung eines
beständigen psychischen Seinsempfindens. Die Kontaktaufnahme mit sich selbst
und der Umwelt soll also das Empfinden des absoluten (voll, ganz, gut) und
angenommenen Seins ermöglichen. Bei Beziehungsabbruch erlernt also das
Individuum, sich selbst mittels bestimmter Bedürfnisse autoaggressiv oder
autoerotisch in einer bestimmten Kombination dieser beiden Strebungen zu
stimulieren und physisch-psychisch sein zu machen. Später werden diese
libidinösen und antilibidinösen Strebungen zunehmend mit logisch-kognitiven
Inhalten angereichert, überbaut und zu einem komplexen Selbstbild geformt.
Diese Bestrebungen und ihre kognitiven Überbauten bilden grundlegende und immer
mehr ausdifferenzierte existenzielle Seinsentwürfe aus einer zuvor rein
somatisch-vegetativen Existenzebene. Die fragmentarischen Teilrepräsentanzen
werden zu ganzen Repräsentanzen. Werden die Seinsentwürfe
später in der weiteren kortikalen Reifung des Individuums durch das reflexive
Cogito (verinnerlichte bewertende Teilrepräsentanzen) reflektiert, offenbaren
sich diese Teilidentitäten als bloße Entwürfe. Das Ich – das Bewusstsein des
Empfindens somatisch-vegetativer erotischer oder aggressiver Spannung und
später auch des Denkens von Selbstkonzepten – verliert sozusagen den Kontakt
(In-Situation-sein) zu seiner Identität, seinem Entwurf, wodurch es sich selbst
zu nichten und aufzulösen droht. Dabei empfindet das Ich keine feste und definierte
Existenz und gerät in eine existenzielle Leere ohne Seinsentwurf – eine
fundamentale Entzweiung zwischen reflektierendem, bewertendem Bewusstsein (entwerfende
Instanz) und dem bewerteten Selbst (Entwurf) – woraufhin es somatisch-vegetativ
mit einem kompensatorischen Ausgleich des Empfindens von Seinsverlust und
Auflösung der Existenz reagiert. Das Individuum kann also, ja nach Kohärenz der
Selbstrepräsentanzen, in der Selbstreflexion regelrecht den Kontakt zu seinen
Seinsentwürfen durch die Offenbarung derselben als solche verlieren und damit
auch das Gefühl für seine Existenz. Der Organismus versucht sich dann auf prälogische,
somatisch-vegetative Art zu spüren und wechselt in den autoerotischen oder auch
autoaggressiven Modus, um hierdurch Spannung in der Seinsleere zu erzeugen und
so den Organismus sinnlich und spürbar lustvoll oder schmerzhaft zu reizen. Um
genau diese somatisch-vegetative Spannung im Bewusstsein geht es letztlich im
Sein. Sie wird durch die existenzielle Angst in der Seinsleere der
Selbstreflexion oder des Beziehungsabbruchs zum Objekt erzeugt, indem sie
sofort bei ihrem Auftreten in somatisch-vegetative Spannung (primäres Sich-in-Situation-begeben)
umgewandelt wird. Diese Spannung und ihre darauf folgende Lösung im
autoerotischen oder autoaggressiven Kontakt mit dem eigenen Organismus erzeugen
ein ähnliches Seinsgefühl wie der reale erotische oder aggressive Kontakt mit
der Umwelt. Wird später beispielsweise der lustvolle und erotisch angenommene somatisch-vegetative
Seinsentwurf angezweifelt oder genichtet, tritt, von existenzieller Angst getrieben,
sofort der unlustvolle und aggressiv abgelehnte somatisch-vegetative Seinsentwurf
an seine Stelle. Der Organismus kann sich also besonders leicht und intensiv
durch das Ausleben eigentlich objektgerichteter Strebungen an sich selbst
stimulieren und dadurch spürbar Sein machen. Er geht mit sich selbst in Kontakt,
statt mit der Umwelt. Auch später macht sich der Mensch diese physische Form
der Ablenkung vom Nichtseinskomplex weiterhin zunutze, wenn er durch sein
zunehmendes kognitives Vermögen, sich mittels seines reflexiven Cogitos selbst
in seinem Sein zu hinterfragen, existenzielle Angst vor Leere verspürt. Aus den
ursprünglich rein triebhaften somatischen Hemmungen (du bist böse; ich bin
böse) und Verstärkungen (ich bin gut; du bist gut) werden durch die
fortschreitende kortikale Reifung allmählich regelrechte aggressiv-hemmende
(schmerzhaft) und erotisch-verstärkende (lustvoll) kognitive Leitsätze (Ge-und
Verbote). Der Mensch erlernt also mit seinen biologischen objektgerichteten
Triebstrebungen der frühen Ontogenese und ihrer positiven sowie negativen
Spiegelung durch die Umwelt ein bestimmtes individuelles Seinsgefühl, sein
grundlegendes Bild von sich selbst und seiner Umwelt, nach dem er dann sich und
seine Umwelt behandelt, um sich als Sein zu spüren. Damit geht die individuelle
Art und Weise einher, angstbedingte Spannung der psychischen Leere auch ohne
reale Objekte auf somatischer Ebene abzubauen und sich so zu beruhigen. Mit der
Verinnerlichung des Konfliktes zwischen angenommenen erotischen und
unterdrückten aggressiven Triebimpulsen verinnerlicht der Säugling zunächst auf
rein somatisch-vegetativer Ebene das Bezugsobjekt, welches diesen Grundkonflikt
ebenfalls in sich trägt und dadurch auch auf den Säugling überträgt. Der Mensch
greift dann auch später bei empfundenen existenziellen Ängsten wie Furcht vor
Verlassenheit, Vereinzelung, Sinnlosigkeit und letztlich dem Nicht-sein immer
wieder auf diejenigen Strebungen zurück, die ihm im Säuglings- und Kindesalter
die größte Seinsbestätigung und folglich Ablenkung von existenzieller Angst ermöglicht
haben. Auf einer späteren logischen und differenzierteren psychischen
Entwicklungsstufe sind die angenommenen und abgelehnten Entwurfanteile dann bereits
klarer und vielfältiger voneinander abgegrenzt, was ein Projizieren der
Existenzangst in Form verschiedener Phobien in die Umwelt ermöglicht (isolierte
statt diffuser und generalisierter Angst). Alle späteren Formen von Angst werden
sich immer auf diese primäre Angst des Nicht-seins zurückführen lassen! Man
kann also festhalten, dass der Säugling den Kontakt zum versorgenden Objekt
existenziell benötigt, um sich zu spüren. Vor und unmittelbar nach der Geburt
empfindet das Individuum wahrscheinlich zunächst noch keinen Unterschied
zwischen sich selbst als Subjekt und der Bezugsperson beziehungsweise deren
gesamte Welt als Objekt. Es ist fest und sicher in die somatischen Grenzen der
Mutter (Uterus, Brust, Arme) verwoben und eingebettet, was gemeinhin den
Zustand des primären Narzissmus bezeichnet. Wacht das Kind jedoch in seinem
noch sehr physisch geprägten Bewusstsein auf und sieht es sich ohne körperliche
Beziehung (Soma und Psyche sind noch nicht voneinander differenziert) mit der
versorgenden Bezugsperson in eine physische und psychische Leere der Welt
geworfen, wird es sogleich von tiefer diffuser Existenzangst des Nichtseins
ergriffen und überflutet. Sofort regen sich in ihm in seiner diffusen
Existenzangst die sinnlich reizenden Triebstrebungen, die sich in physischer
und psychischer Spannung offenbaren. Das Seinsgefühl wird vermittelt, wenn die
lustvolle erotische oder schmerzhafte aggressive Spannung entweder zum äußeren
realen Objekt oder aber auch zum inneren Selbstobjekt gerichtet wird, um sich
an dessen Grenze im Kontakt mit diesem zu entladen und so Befriedigung zu erlangen.
Befriedigung bedeutet, dass man sich selbst als ein gutes und angenommenes Sein
im primär-narzisstischen Zustand empfindet, bis es durch ein Gegenüber
(interpsychischer realer Kritiker) oder das reflexive Cogito (verinnerlichter innerpsychischer
Kritiker) erneut infrage gestellt wird und wieder eine diffuse Leere sowie
Existenzangst auftreten, die abermals in Spannung und Entladung münden. Im Beziehungsabbruch
(kein In-Situation-sein mehr) versucht sich das Individuum also selbst das
Gefühl zu geben, voll von Sein (An-sich) zu sein (vgl. Sartre, S. 1048 ff). Dabei behandelt es sich unbewusst
teilweise selbst wie ein geliebtes oder gehasstes Objekt, das zuvor seine
Bezugsperson war, und umschließt oder attackiert sich physisch, um seine ohne
das Objekt empfundene Seinsleere zu beseitigen. Die Bezugsperson wurde, bezogen
auf die Triebstrebungen des Kindes, sowohl als ein erotisches, lustvolles und
liebendes als auch als ein aggressiv, schmerzendes und gehasstes Objekt in das
Subjekt des Säuglings verinnerlicht und dort als ein erstes grundlegend in Gut
und Böse gespaltenes Introjekt psychisch verankert. Mit der Verinnerlichung der
sich widersprechenden Bezugsperson in versorgend (physisch/ psychisch voll sein
und geliebt werden) und versagend (physisch/ psychisch leer sein und gehasst
werden) wurden zwei grundlegende Teilentwürfe physisch und psychisch im Subjekt
verinnerlicht. Gut (libidinös) und Böse (antilibidinös) werden so von einem
intersubjektiven zu einem intrasubjektiven und in der späteren Beziehungsgestaltung
erneut zu einem intersubjektiven Konflikt. In der Versagung durch die Umwelt
ist das zunächst omnipotente primär-narzisstische Seinsgefühl, in welchem sich
das Kind absolut entspannt spürt, bedroht. Es kommt zur beschriebenen
Rückwendung objektgerichteter Bedürfnisstrebungen gegen sich selbst und zu
einer autonomen sowie von der Außenwelt scheinbar unabhängigen Ersatzbefriedigung
am eigenen Körper. Das Urvertrauen des Säuglings in die Welt, in den primären
Narzissmus und damit in das bedingungslose Seindürfen, erfährt so eine erste
tiefe Erschütterung. Um es noch einmal zu betonen: Die erotischen und
aggressiven Triebstrebungen suchen sich regressiv ein Ersatzobjekt oder eine
Befriedigung am Subjekt selbst stellvertretend für das reale Objekt, welches
die Strebungen zurückweist oder ganz aus der Beziehung tritt (vgl. Fairbairn, 2007, S. 89 ff). In diesem
Fall kommt es zur Selbststimulation am Introjekt statt zur Stimulation am
ursprünglichen Zielobjekt. Die Selbststimulation ist letztlich nichts anderes
als ein zunächst auf somatischer Ebene unbewusst Seinsempfinden verschaffendes
Sich-in-Situation-begeben. In diesem Kontakt mit sich selbst behandelt man sich
teilweise wie ein Objekt, auf welches die Triebstrebung abzielt. Die Folge ist,
dass die diffuse Angst vor Leere und Auflösung von der psychisch noch undifferenzierten
somatisch-vegetativen Bewusstseinsebene aus in einer somatisch-vegetativen
(muskulären) erotischen oder aggressiven Spannung gehalten und dort verfestigt
wird, um ihr lähmendes psychisches Empfinden zu verhindern (vgl. Reich, 2006, S. 449 ff). Diejenigen
Triebstrebungen und ihre späteren dazugehörigen psychischen Entsprechungen, welche
am stärksten in der Beziehung zur Bezugsperson befriedigt und versagt bleiben,
bestimmen die beobachtbare Selbststimulation sowie die ambivalente
Beziehungsgestaltung mit den Objekten in weiten Teilen der späteren Lebensbereiche
(vgl. Mentzos, 2005, S. 42 ff).
Die hierdurch entweder progressiv auf das Objekt hin oder regressiv auf das
Subjekt zurückgelenkten organismischen Strebungen sind also deutlich im alltäglichen
Umgang mit sich und anderen erkennbar. Man verinnerlicht sozusagen in der
Anpassung an das verstärkende und versagende Objekt dessen erotische Ge- und
aggressive Verbote als stark ambivalente Selbst-Objekt-Dyaden (vgl. Kernberg, 1998, S. 98 f.). Der Säugling
bildet in sich demnach unbewusst einen ersten sich selbst widersprechenden
Seinsentwurf, der einerseits zu Teilen von der Bezugsperson erwünscht und
andererseits zu Teilen von dieser unerwünscht und dadurch letztlich grundlegend
in Gut und Böse gespalten ist. Die Art und Weise der Betonung (Bewertung)
früherer Triebstrebungen und ihrer psychischen Überbauten durch primäre
Bezugsobjekte bestimmt damit den späteren Umgang sowohl mit äußeren als auch
mit introjizierten Objekten (Introjekten). Die introjizierte sanktionierende
und belohnende Bezugsperson wird zum Bestandteil der eigenen Psyche und stellt
auch innerhalb derselben die abwehrende (erotisch verstärkende oder aggressiv
unterdrückende) Instanz dar, zu der man aber inzwischen selbst geworden ist.
Der geschilderte Vorgang der Introjektion darf jedoch nicht als ausnahmslos
pathologisch aufgefasst werden. Vielmehr bildet er die Grundlage der Identität
aller Individuen und ist die logische Konsequenz eines normalen
Sozialisationsprozesses. Das individuelle Ausmaß der inneren Spaltung der
Introjekte hängt jedoch letztendlich von der Qualität und Quantität der
Sozialisation ab. Die durch die Psychoanalyse beschriebenen phasentypischen Bedürfnisse
(vgl. Abraham, 1999; Reich, 2006, S. 220 ff) und ihre teilweise
sozialisationsbedingte Rückwendung gegen das Subjekt selbst bilden sozusagen in
sich ambivalente Grundentwürfe, die den grundlegenden Kampf des Individuums
gegen seine innere Seinsleere und gegen sein Nicht-sein verdeutlichen. Diese im
Verhalten sichtbare individuelle Kombination aus akzeptierten und verbotenen
Impulsen sowie der unentwegte Versuch, trotz innerer Spaltung und abgelehnter
Impulse ein Empfinden des unbedingten Gutseins zu erhalten, bilden seit
frühester Kindheit die ambivalente (angenommene
Strebungen werden erotisch verstärkt/ abgelehnte Strebungen werden aggressiv
unterdrückt) Abwehr des Nichtseinskomplexes und damit die grundlegende
Persönlichkeits- oder Charakterstruktur. Man ist also im Grunde die
einzigartige Kombination der Summe aller verinnerlichten Objektbeziehungen
seines Lebens. Die Struktur wird somit als Folge der Verinnerlichung frühester
ambivalenter Objektbeziehungen angesehen (vgl. Fairbairn,
2007, S. 205 ff). Die Struktur bewährte sich lange Zeit mit ihrer scheinbaren
Unabhängigkeit von der Seinsspiegelung durch reale Objekte mittels spezifischer
individueller Selbststimulation als optimal zur Abwehr gegen den Nichtseinskomplex.
Hierauf greift das Individuum jederzeit wieder vom psychischen auf den somatischen
Inhalt regressiv zurück, sollte das Seinsgefühl neuerlich versagt bleiben.
Alle Triebe
entspringen einem gemeinsamen grundlegenden (primär-narzisstischen) organismischen
Identitätsstamm, in dem alle Triebstrebungen noch unbeschränkt existieren dürfen.
Von ihm aus wird der noch einheitliche Grundentwurf zur Erlangung positiver
Spiegelung durch Verwehrung derselben in sich widersprechende Partialentwürfe oder
Teilrepräsentanzen (schizoide Disposition) gespalten, ähnlich einem Baum, der
sich in seinem Wachstum seiner Umwelt anpasst und im Zweifelsfall lieber
geteilt um das Hindernis herum wächst, statt einheitlich vernichtet zu werden,
auch wenn seine Äste dabei getrennte Wege einschlagen müssen und hierdurch
geschwächt werden . Mit dieser primären Spaltung in einen guten und einen bösen
Partialentwurf geht auch sofort die Verinnerlichung der bewertenden, reflektierenden
und überwachenden Instanz einher, die den Kontakt, trotz Vorhandenseins eines
Gegenübers, durch ein endloses Kreisen über das Subjekt selbst erschweren kann,
statt den Kontakt als erotisches oder auch aggressives Selbst unbewertet und
ungebremst zuzulassen. Bevor jedoch ein Selbst in erotisch oder aggressiv
gespalten wird, sind seine Erfahrungen zunächst unreflektiert
somatisch-vegetativ bewusst und implizit-formal (aus Sicht des
explizit-deklarativen Denkens unbewusst). Es werden also zuerst präreflexive Subjekt-Objekterfahrungen
gemacht, die später von den weiteren verinnerlichten Erfahrungen reflektiert
werden. Das unreflektierte präreflexive Cogito stellt also die Funktion eines
reflektierenden Ichs dar (Bewusstsein). Fairbairn
(2007, S. 166 ff) geht von der Annahme aus, dass den ambivalenten Introjekten
ein sogenanntes ungespaltenes zentrales Ich gegenübersteht (in der
Gestalttherapie würde man eher von einer Funktion – dem Selbst – sprechen als
von einer Instanz). Die Introjekte können sowohl hinsichtlich der Quantität als
auch der Qualität der Besetzung der gespaltenen Selbstanteile, je nach
Umwelterfahrungen, sehr verschieden sein. Bei einer grundlegenden Erfahrung des
organismischen Angenommenseins beispielsweise wird die Spaltung des frühen
Selbst deutlich geringer tiefgreifend stattfinden. Bei negativen Grunderfahrungen
geschieht natürlich eine tiefgreifende bis hin zu vollständige Selbst-Spaltung,
die sämtliche Bereiche des Selbst betreffen kann. Das präreflexive Cogito (Ich)
besetzt dann abwechselnd, je nach äußerer Spiegelung (positiv bedeutet
Beziehungs- und Existenzerhaltung; negativ bedeutet Beziehungs- und
Existenzabbruch), immer entweder nur das erregende oder das versagende
Introjekt und ist mit diesem identifiziert. Wird man negativ von den Menschen
seiner Umwelt gespiegelt, besetzt das Ich als differenzierende und
integrierende psychische Funktion auch das Introjekt negativ und behandelt den
Organismus autoaggressiv. Wird man dagegen positiv gespiegelt, besetzt das Ich
den grundlegenden positiven Entwurf (Introjekt) und behandelt den Organismus
autoerotisch. Fehlt ein Kontakt gänzlich, dann hängt die innere Besetzung des
Introjekts von dessen Dominanz ab. Ein gewisses Maß an therapeutischer
Selbsterfahrung kann diesen sich widersprechenden Selbstanteilen, besonders den
unterdrückten Anteilen, vielleicht ein stützendes alternatives Hilfs-Ich zur
Verfügung stellen. Dieses vermag jedoch meines Erachtens höchstens die enorme
Einseitigkeit und Ausprägung beider Selbste abzuschwächen, nicht jedoch
vollständig auszulöschen. Eine gänzlich unabhängige, neutrale und überschauende
Ich-Instanz bildet dieses Hilfs-Ich demnach keineswegs. Die menschliche Existenz
ist also ab der Geburt grundlegend durch ein gewisses Maß dieser inneren
Spaltung und Ambivalenz der Bewertungen gekennzeichnet, wenngleich das genaue Ausmaß
der Spaltung, und damit die psychische Gesundheit, individuell sehr verschieden
sein kann. Um noch einmal zur Verdeutlichung das Beispiel mit dem Baum und
seinen Ästen heranzuziehen: An der Stelle der Aufgabelung der ersten Äste vom
Stamm befinden sich die grundlegende gespaltene Anpassung an das Objekt und
seine Welt sowie die damit einhergehende Abwehr gegen das Gewahrwerden von
Leere, Vereinzelung und Sein zum Tode (vgl. Hügli/Han,
2001, S. 138). Bis zur Aufgabelung existiert ein organismisches unreflektiertes
Ich (präreflexives Cogito/ Für-sich). Hiernach reflektiert dieses jedoch als Funktion
weitere Selbstanteile (An-sich) und besetzt oder bekämpft sie und hinterfragt
somit die psychische Existenz des Organismus. Dies ist auch die Grundlegung der
schizoiden Disposition, in welcher sich das Subjekt aufgrund zu vieler
unterdrückter autoaggressiver Strebungen gegenüber seiner Umwelt als
grundlegend anders, von ihr getrennt und abgelehnt empfindet (vgl. Fairbairn, 2007, 89 ff).
Mit den subjekt- oder
ersatzobjektgerichteten Triebstrebungen sind meist typische beobachtbare
Objektbeziehungsmuster verbunden, die unten kurz idealtypisch umrissen werden
sollen. Die nach Schultz-Hencke
(1951, S. 16 ff) bezeichneten und von Klußmann
(1998, S. 9 ff) sowie Wunderlich
(1996, S. 38 ff) erweiterten Phasen (Neurosenarten) stellen jeweils eine ganz
spezifische Form solcher Objektbeziehungsmuster als Abwehr des Empfindens der
Seinsversagung beziehungsweise des Nichtseinskomplexes dar. Das Ziel dieser im
Charakter eines jeden Menschen beobachtbaren Abwehrmechanismen ist die
Aufrechterhaltung des Empfindens eines grundlegenden Gut-, Liebenswert- und
Angenommenseins. Man will um jeden Preis von seiner sozialen Umwelt zunächst
somatisch und später auch emotional versorgt werden. Da die frühesten
Beziehungen zur Umwelt noch an grundlegende Bedürfnisbefriedigungen beziehungsweise
Triebbefriedigungen durch die Außenwelt zur Überlebenssicherung gekoppelt
waren, haben die primären und nur präverbal erfassbaren Erfahrungen (unzureichende
kortikale Reifung, zu wenig Umwelterfahrungen und folglich fehlender psychischer
Niederschlag derselben) einen existenziell stark drängenden Charakter auf
subkortikaler unbewusster Ebene. Sartre
nannte den noch primär auf Triebstrebungen basierenden und sich später
symbolisch ausdrückenden Entwurf den ,Seinsentwurf’ (2006, S. 970). Auf den
primären Narzissmus (noch keine Spaltung des organismischen Selbst in erotisch
und aggressiv) folgt dann zeitlich die schizoide Phase, in welcher das Subjekt
auf Grenzen und Zurückweisungen bezüglich der Versorgung von Triebbedürfnissen
in der Umwelt trifft. Das Kleinkind erfährt sich sozusagen als begrenzt und auf
sich selbst zurückgeworfen. Um dieses Empfinden zu lindern, reflektiert und
bewertet es sich, um dem erwünschten Idealbild zu entsprechen, indem es
versucht, sich kompensatorisch seine Triebbedürfnisse selbst zu befriedigen und
sich dadurch selbst sein zu machen. Dabei zieht es sich vom Objekt in sich
selbst zurück und wird wiederkehrend von dem Empfinden heimgesucht, grundlegend
anders als die Umwelt zu sein und nicht dazuzugehören. Im weiteren
Entwicklungsverlauf folgen dann immer mehr von den Triebbedürfnissen
entkoppelte Seinsbedürfnisse wie die der emotionalen Versorgung durch die
Gemeinschaft, der Selbstbehauptung und Abgrenzung von anderen oder auch der
sexuellen Attraktivität, der Selbstwirksamkeit und des Erhaltens von Anerkennung
und Bewunderung. Später verinnerlicht der Mensch auf kognitiver Ebene auch
Seinsspiegelungen verbaler und kognitiver Art (was man über ihn sagt oder
denkt). Sind die primären Kontaktaufnahmen des Individuums mit seiner Umwelt
zunächst überwiegend triebhaft-somatisch und emotional-vegetativ (prälogisch
unbewusst), werden die späteren Kontakte hingegen zunehmend verbal-kognitiv
(logisch bewusstseinsfähig) und bauen auf den somatischen Erfahrungen der
früheren Kindheit auf beziehungsweise bilden ein psychisches
Gleichzeitigkeitskorrelat zu den somatischen Subjekt- und Objekterfahrungen
(vgl. Schultz-Hencke, S. 272 ff).
Das bedeutet, dass in der Psyche nicht nur weiterhin grundlegende Triebstrebungen
verankert bleiben, die zwischen erwünschten und unterdrückten
Teilsubjektrepräsentanzen gespalten sind, sondern im weiteren Reifungsprozess
zunehmend auch gespaltene kognitive Selbstentwürfe (Selbstkonzepte, Schemata
(vgl. Arbeitskreis OPD, 2006, S.
97 f.)) hinzukommen. Die kognitiv komplexeren Teilsubjektrepräsentanzen bleiben
jedoch ein Leben lang von den emotional-vegetativen Repräsentanzen sichtbar
eingefärbt und bilden so einen erkennbaren psychischen Niederschlag von den
primären somatischen Bedürfnissen (vgl. Klußmann,
1998, S. 23). Entsprechend dieser Interaktionen sowie der daraus resultierenden
erotischen (angenommenes Sein) und aggressiven (abgelehntes Sein) Selbst- und
Objektrepräsentanzen werden dabei auch die psychische Stabilität und Flexibilität
des Individuums von der primär-narzisstischen Wurzel an grundgelegt. Wenn man
nun aus dem Vorherigen den Schluss ziehen kann, dass sich das Subjekt nur in
dem Ausmaß als liebevoll, gut und angenommen empfinden kann, in welchem es in
seinen primären Strebungen als lustvoll, erotisch und befriedigend vom Bezugsobjekt
angenommen wurde, dann lässt dies ebenfalls den Schluss zu, dass sich das
Subjekt bei übermäßiger Zurückweisung von primären Triebstrebungen als
aggressiv, gefährlich und nicht liebenswert empfindet und genauso wiederkehrend
mit sich selbst und seiner Umwelt in Beziehung tritt. Der primäre unbewusste
Selbstwert ergibt sich demnach bereits aus der Summe erotisch angenommener und
aggressiv abgelehnter Triebstrebungen. Das Ziel einer therapeutischen Behandlung
müssen dann innerhalb eines sozial verträglichen Rahmens die Aufdeckung, die
Mobilisierung sowie die Ausrichtung grundlegend unterdrückter, abgelehnter und
aufgestauter aggressiver Organismusstrebungen auf die Objektwelt sein. Dies
wird durch die zuvor liebevolle Reintegration der aggressiven Anteile in das
Selbstbild erreicht. Hierzu braucht es eine vertrauensvolle, wertschätzende und
annehmende Haltung eines kontaktfähigen Therapeuten in einer echten Beziehung
(vgl. Fairbairn, 2007, S. 257 ff),
da nur so der gesamte Organismus die Erfahrung machen und feststellen kann,
dass er weder gefährdend für seine Umwelt noch von dieser gefährdet ist,
sondern grundlegend primär-narzisstisch annehmbar und liebenswert, auch wenn er
destruktive Anteile besitzt. Dies wiederum bildet die Grundvoraussetzung für
ein gewisses Maß an Selbst- und Fremdliebe und ermöglicht eine unbefangenere
und für die Lebenserhaltung notwendige Kontaktaufnahme mit der Umwelt. Sekundär
ergibt sich daraus auch erst die Fähigkeit zu Bedürfnisaufschub bei dem
anhaltenden Gefühl des Angenommenseins ohne Angst vor Beziehungsabbruch. Die
unten aufgeführten vier Phasen stellen die zunächst auf rein triebhaften
Strebungen beruhenden Objektbeziehungen entsprechend des somatischen Entwicklungsstandes
des Organismus dar. Die belebten und unbelebten Objekte werden dabei noch somatisch-vegetativ
über die Sinnesorgane, den Mund, den Anus, die Muskulatur oder auch die
Geschlechtsorgane angestrebt. Im späteren kortikalen Reifen sowie im vermehrten
Objektkontakt werden auf diese somatisch-vegetativen Grundlagen des
Objektkontakts mit primären Objekten dann zunehmend verbal-kognitive Selbst-
und Fremdkonzepte aufgebaut. Der Rückgriff auf die rein somatisch-vegetative
Objektbeziehung bei Objektverlust stellt demnach eine ontogenetische Regression
dar.
Zusammenfassend
stelle ich fest: Menschliches Handeln, Fühlen und Denken werden maßgeblich
durch primäre angenommene und abgelehnte gespaltene somatisch-vegetative
Seinsentwürfe bestimmt (Sartre beschreibt
dies anschaulich in seinem Entwurf einer Existentiellen Psychoanalyse).
Sie sollen angesichts einer ständig unter der Anzweiflung lauernden Bedrohung
der Seinsleere, die sowohl durch den Seinsmangel des Für-sich, welches zum
Für-sich-An-sich werden möchte, als auch durch äußere böse Objekte oder innere
bedrohliche Anteile hervorgerufen wird, ein gutes, volles und absolutes
Seinsempfinden sowohl auf somatisch-vegetativer als auch auf verbal-kognitiver
Ebene vermitteln und dieses verteidigen. Dabei werden die angenommenen
erotischen Entwurfanteile verstärkt gezeigt, die abgelehnten aggressiven
hingegen ausgeblendet, verdrängt, unterdrückt oder bekämpft (abgewehrt). Diese
primären gespaltenen Entwürfe mit ursprünglich ontologischer Seinsqualität
(vgl. Sartre, 2006, S. 986 ff) wie
beispielsweise dem Streicheln, Spielen, Haben, Bohren, Formen, Lecken, Stechen,
Kratzen, Ausdrücken oder Saugen (die qualitativen Möglichkeiten des physischen
Seins in der Welt sind schier unerschöpflich) erfahren in der Ontogenese
verbal-kognitive Überbauten (Selbstkonzepte), welche jedoch bei Anzweiflung und
Gefahr der Infragestellung (Nichtung) sofort zurück zu ihren
somatisch-vegetativen Ursprüngen regredieren, um die entstandene existenzielle
Seinsleere sogleich durch ein prälogisches Sich-in-Situation-begeben
ontologisch zu füllen. Man kann also nicht nichts sein aber auch nicht etwas!
Die Art des regressiven und triebhaft-organischen Umgangs des Säuglings mit
seiner Objektwelt und sich selbst (grundlegende Selbst- und Fremdbetätigung) bestimmt
auch später symbolisch ein Leben lang die progressiven Objekt- und Subjektbeziehungen
des gereiften Individuums. Das progressive und komplexe kognitive Engagieren in
einen Seinsentwurf wird so durch ein rein biologisches und existenziell sehr
drängendes neurotisches Engagieren ersetzt. Psychotherapeutisch gilt es dieses
unangenehme existenzielle Drängen und Leiden des regressiven Sich-engagierens als
einen überholten Versuch des Selbstschutzes zu mindern. Dies wird erreicht,
indem man sowohl auf verbal-kognitiver als auch begrenzt auf
somatisch-vegetativer Ebene eingeengte, überholte, unbewusste und neurotische
Seinsentwürfe, die ein grundlegendes Empfinden des Gutseins sichern sollen und
es einst auch real taten, durch Perspektivwechsel flexibler, bewusster und
wählbar macht. Dadurch werden einem Wahlalternativen zur Verfügung gestellt,
die imstande sind, eine Anzweiflung des bisherigen Seinsentwurfs durch ein
erweitertes und freieres Selbstkonzept alternativ zu kompensieren.
Ausgeblendete, verdrängte oder bekämpfte Schwächen, Unvollkommenheiten und
Defizite können aus der erweiterten Perspektive des Metaseinsentwurfs leichter
akzeptiert und angenommen werden. Das gute, volle und absolute Seinsempfinden, mit
dem man sich durch die therapeutische Bewusstmachung nun aus der
verinnerlichten Perspektive des überschauenden Therapeuten mit einem Abstand zu
seinen bisherigen einengenden Entwürfen identifizieren kann, wird dann durch
das wiederkehrende Einnehmen eines Metaentwurfs geschützt. Dieser Entwurf ist
zwar durch seinen Umfang und seine Erweiterung etwas geschützter vor Nichtung,
jedoch ist auch er nicht gänzlich davor gefeit. Neben einer wirklich
schmerzvollen und mutig erarbeiteten Erweiterung des Selbstkonzeptes mit einer
Reintegration abgelehnter und Scham- sowie Schuldgefühle erzeugender
Selbstanteile können solche Metaselbstentwürfe nicht selten auch die Qualität
radikaler spiritueller, philosophischer oder religiöser Anschauungen erreichen.
Diese wären dann eine falsche und unaufrichtige Selbstkonzepterweiterung, die
nach wie vor hoch neurotisch und von ausgeprägter Verdrängung und Spaltung
gekennzeichnet ist. Zudem versucht ein Zurückgreifen auf einen solchen
esoterischen, transzendenten und allumfassenden Metaentwurf über die Tatsache
hinwegzutäuschen, dass unser Sein fest in der Hand unbewusster, primärer und
prälogischer Selbstentwürfe auf somatisch-vegetativer und emotionaler Ebene
ist. Man kann sich noch so sehr an kognitive Überzeugungen klammern. Letztlich
werden diese jedoch immer wieder regressiv von tief verwurzelten und
existenziell drängenden (emotional, vegetativ) Seinsentwürfen übermannt und
regelrecht weggefegt. Diese Begrenzung in der Freiheit der Selbstwahl als
freien Entwurf kann man letztendlich nur akzeptieren und hinnehmen, will man
sich nicht ständig neurotisch entwerten, neu erfinden und sich selbst etwas
vormachen müssen. Das Ziel des Menschen muss es also sein, ein hohes Maß an
Selbsterkenntnis durch reflektierte Selbstschau bezüglich seiner Existenz als
Entwurf und zugleich als Entwerfender zu erlangen und hieraus eine reduzierte
Ernsthaftigkeit gegenüber seinem Sein – also sich selbst – und dem der anderen
zu gewinnen. Die Psychotherapie stößt in ihrem Versuch, die Seinsentwürfe
aufzuzeigen, sie zu erweitern und frei wählbar zu machen, allerdings auf eine
deutliche Grenze, da bei einer anhaltend gravierenden Seinsversagung (Objektverlust,
Beziehungsabbruch, Anzweiflung, existenzielle Bedrohung) die verbal-kognitiven
Überbauten und Seinskonzepte nicht mehr zur positiven Selbstbehauptung
ausreichen und nach und nach von primitiven und existenziell drängenden
somatisch-vegetativen Entwürfen, für die es keine kognitive Entwurferweiterung
gibt, regressiv und ,unfreiwillig’ übernommen und ersetzt werden. Diese
archaischen Bereiche bleiben der auf Gespräche reduzierten Psychotherapie weitestgehend
unzugänglich, da sie nicht verbal-kognitiv erfassbar sind und die somatisch-vegetativen
Entwürfe eben nur symbolisch, unvollständig und spekulativ ,begreifbar’ gemacht
werden können. Allerdings kann sich das Individuum in seiner ihm therapeutisch
gespiegelten Symbolik seines Grundentwurfs meistens sehr klar erkennen. Hier
setzen dann insbesondere therapeutische Techniken und Kontaktangebote auf somatischer
und emotionaler Ebene an (zum Beispiel die Gestalttherapie).
Nach
einer sehr kurzen primär-narzisstischen Phase physischer und psychischer
Verschmelzung mit der Mutter unmittelbar vor und nach der Geburt durchläuft das
Individuum die unten angeführten idealtypischen objektgerichteten Entwicklungsphasen
(vgl. Fairbairn, 2007, S. 171 ff),
wobei es immer den befriedigten, entspannten und bedingungslos geliebten
Zustand des präreflexiven ungespaltenen Ich beziehungsweise eigentlich des
ontologischen All-Ich oder Für-sich-An-Sich (primär-narzisstisch) anstrebt.
Später zeigt sich dieses Streben bei unzureichender Seinsspiegelung als sogenannter
sekundärer Narzissmus. Aus den dargestellten Phasen leiten sich unter anderem
auch mögliche therapeutische Interventionen ab. So kann beispielsweise ein
anal-zwanghafter Typus lernen, selbstwirksamer und autonomer zu sein, indem er
zunehmend Unordnung und Einmischen von außen sowohl auf physischer als auch auf
psychischer Ebene aushält und dennoch dabei unabhängig er selbst bleibt. In
jedem Fall geht es darum, sein Empfinden von Gut-sein auch ohne Objekte
zeitweise in sich selbst aufrecht zu erhalten. Die folgenden Phasen existieren
in der Realität freilich nicht in einer derart voneinander differenzierten Art
und Weise. Vielmehr treten sie meist als Mischformen auf, deren Bestandteile
man durch sorgsame Beobachtung individuell herauskristallisieren muss.
Zuletzt möchte ich in diesem Artikel noch kurz
meine Anschauungen hinsichtlich der theoretischen Überschneidungen zwischen dem
phasentypischen entwicklungspsychologischen Konzept der Psychoanalyse und dem
Modell des Kontaktzyklus’ der Gestalttherapie darlegen. Stellt man sich die
gestalttherapeutischen Kontaktfunktionen Konfluenz, Introjektion, Retroflexion,
Projektion, und Egotoismus (vgl. Dreitzel,
2004, S. 112 ff; Goodman et al.
2006, S. 312 ff) als eine Abfolge phasentypischer Entwicklungsschritte in der
Selbstwerdung grafisch auf der Kontaktkurve vor, dann ergibt sich eine
Zuordnung, die der des Phasenmodells der Psychoanalyse sehr nahe kommt. Sowohl hinsichtlich
der Beschreibungen der den Phasen zugrundeliegenden psychodynamischen Grundkonflikte
als auch der beschriebenen reinen Persönlichkeitsmerkmale zeigen sich deutliche
Übereinstimmungen. Ergänzt man das analytische Phasenmodell nun noch um die spezifische
Perspektive des Kontaktes und der Objektbeziehungstheorie, dann ergibt sich eine
sehr konsistente und grundlegende psychodynamische Entwicklungstheorie, wie sie
in der nachfolgenden Grafik abgebildet ist. Vorläufer einer solchen Anschauung
sind bereits bei Anger & Schön (2012) oder auch Müller (2001) zu finden. Im Fokus dieser
ganzheitlichen psychodynamischen Entwicklungstheorie steht jedoch die für
jeglichen gesunden Kontakt der Organismen mit ihrer Umwelt (Aufnehmen, Kauen –
ggf. Ausspucken –, Verdauen/Assimilieren, Ausscheiden) grundsätzlich notwendige
Autonomieentwicklung – die Selbstwerdung als Subjekt am Objekt. Wie in jeder
Diagnostik soll die folgende idealtypische jedoch künstliche phasenartige
Unterscheidung einer eigentlich fließenden Entwicklung lediglich das
Verständnis für den Hintergrund eines kontaktspezifischen fixierten
Verhaltens-, Denk- und Fühlmusters ermöglichen, nicht jedoch ein
Schubladendenken fördern. Letztendlich soll aus diesem Hintergrundverständnis
nicht nur eine vage Rekonstruktion der frühen Kindheitserfahrungen und
Jugendzeiterlebnisse (bzw. die hierbei beeinträchtigten phasenspezifischen
Grundbedürfnisse des Organismus in seiner Entwicklung) vollzogen werden,
sondern es soll auf der Basis der Kenntnis phasentypischer Entwicklungsschritte
und ihrer möglichen Beeinträchtigungen (zugrundeliegende Psychodynamiken) eine
konkrete therapeutische Intervention abgeleitet werden können, die darauf
abzielen, die hinter den Symptomen verborgenen beeinträchtigten organismischen
Entwicklungsimpulse aufzudecken und nachträglich zu ihrer Entfaltung zu bringen
. An dieser Stelle soll kurz skizziert werden, was die wesentlichen Inhalte
dieser Synthese aus den gestalttherapeutischen Widerstandstypen, den
psychoanalytischen Psychosexuellen Phasen sowie der Objektbeziehungs- bzw.
Selbsttheorie sind.
Die
Entwicklung des Menschen nimmt hier ihren Ausgangspunkt bei seiner Geburt, nach
welcher sich der Organismus noch rein sensorisch und keinesfalls als
konsistentes psychisches Selbst auf seine Umwelt und sich selbst bezieht.
Mutter (in der Grafik dargestellt als erstes äußeres Objekt) und Kind (dargestellt
als Subjekt) bilden hier noch psychisch eine Einheit (die Mutter als
Selbstobjekt des Kindes), sodass ihre Kurven zunächst als Einheit verlaufen. Es
folgen dann mit der zunehmenden psychischen Entwicklung und den weiteren
integrierten Objekterfahrungen als erste Identifikationen eine erste Loslösung als
fragmentarisches Selbst aus der Symbiose mit der Mutter und somit eine höhere
Kontaktfähigkeit (Intentional/ Konfluenz à kein Erleben der Welt und von sich selbst als
grundlegend emotional warm). Die Mutter wird nun in Teilen als anders und eigenständig
erlebt. Das Subjekt wiederum verinnerlicht (schluckt) erste sehr einfache und
kaum differenzierte oft widersprüchliche Teile der Mutter, identifiziert sich
mit ihnen und verfügt dadurch begrenzt innerlich über diese, wenn es von der
Mutter getrennt ist (Oral/ Introjektion à keine Verinnerlichung differenzierter Objekterfahrungen
durch unzureichend liebevolle und sichere Trennung von der Mutter; hohe
Spannung zwischen inneren widersprüchlichen libidinösen und antilibidinösen
Teil-Selbst- und Teil-Objektrepräsentanzen). Hieran schließt sich die Fähigkeit
an, die Erfahrungen aus der Umwelt zunehmend motorisch aber auch psychisch zu
differenzieren (zu kauen), sich von äußeren Einflüssen abzugrenzen und seinen
eigenen Willen zu erleben. Mit diesem zunehmenden Entdecken der eigenen
Fähigkeiten, der Macht und des Willens entwickelt sich auch das Erleben eines
machtvolleren Selbst mit dem Bedürfnis, seine Umwelt zu Gunsten seiner eigenen
Wünsche aktiv zu manipulieren, zu bearbeiten (Kauen, Ausspucken, Ausscheiden)
(Anal/ Retroflexion à
keine offen aggressive Beeinflussung der Umwelt). Schlussendlich wird mit
beginnender sexueller Entwicklung die Grundidentität des Geschlechtes gebildet
und damit die Fähigkeit, als Individuum (konsistentes Selbst) mit der Umwelt
maßvoll zwischen libidinös-erotisch und antilibidinös-aggressiv in den Kontakt
zu treten (Ödipal/ Egotoismus à
keine Entwicklung einer selbstbewussten grundlegenden Identität). Hieran
schließt sich mit der Assimilierung (Verdauung) die De-Identifizierung des
Subjektes von sich selbst und den Objekten als Selbst und schließlich als ,Schöpferische
Indifferenz’ an.
Jede einzelne
Kontaktfunktion hat also mit ihren entwicklungspsychologischen (Selbstwerdung)
sowie den dazugehörigen organismischen Entwicklungsimpulsen seine ganz eigene
lebenswichtige Bedeutung für den Vollzug eines stetigen bereichernden und
vollständigen Kontaktes, der wiederum erst ein ständiges bewegliches Wachstum
eines jeden Organismus’ ermöglicht. Es geht also in der Entwicklung der
Lebewesen primär darum, als Organismus sowohl physisch als auch psychisch mit
seinen Triebimpulsen (sowohl libidinös-erotisch als auch
antilibidinös-aggressiv) zu einem konsistenten und kongruenten Selbst zu
werden, welches sich jedoch nach dem Kontaktvollzug immer auch wieder mit ganz
neuem Umweltmaterial genährt inhaltlich verändert und hierdurch als eine Art
mathematischer ,Funktion’ zyklisch immer in Bewegung bleibt. Das Selbst tritt
demnach bei jedem Kontaktvollzug paradoxerweise stets neu aber auch vertraut
aus dem Hintergrund als Figur in den Vordergrund.
Um die oben beschriebenen Dynamiken endopsychischer Prozesse im Sinne der Objektbeziehungstheorie besser verstehbar zu machen, soll hier noch kurz das Konzept der endopsychischen Struktur nach W. R. D. Fairbairn dargestellt werden. Seiner Auffassung nach bildet das Selbst […] ein geschlossenes System von Ich-Anteilen und verinnerlichten Objekten, deren Aufteilung durch Abwehrmechanismen mit Spaltung und Verdrängung geschieht. Die Ich-Teilungen stehen untereinander in einer dynamischen Beziehung. Diese Dynamik entfaltet die Beziehung zur Mutter als primärem Objekt und ist für die pathologischen Zustände verantwortlich. (vgl. 2007, 7 f.)
Die folgende Grafik soll sein Konzept noch einmal verdeutlichen. Meines Erachtens lassen sich zu den jeweiligen Entwicklungsphasen der Psychoanalyse und den sich hieraus ableitenden Persönlichkeitsstrukturen (als Lösungsversuche grundlegender unbewusster Konflikte) spezifische vereinfachte Dynamiken zwischen den Ich- bzw. Selbstanteilen aufzeigen. Geht man von der Grundannahme eines zunächst ungespaltenen Selbst aus, welches sich mit dem Bezugsobjekt als Ich identifiziert, wird dieses in der weiteren Entwicklung durch sowohl libidinöse (lustvoll-befriedigend) als auch antilibidinöse (schmerzhaft-versagend) Beziehungserfahrungen mit zunehmender Ambivalenz in innere Objekte gespalten, wobei das Ausmaß der Spaltung von der Massivität unlustvoller Beziehungserfahrungen mit dem Versorgungsobjekt abhängt. Sobald das Subjekt an seinem versorgenden Objekt antilibidinöse Tendenzen erlebt, verinnerlicht es diese mit dem Ziel, die antilibidinösen Anteile des Versorgungsobjektes in der inneren Welt des Subjekts besser kontrollieren zu können. Damit kann das Subjekt innerpsychisch zumindest kurzfristig erneut Kontrolle über die als bedrohlich erlebten Anteile des Objektes erlangen. Entsprechend dieser zunächst somatischen, emotional-vegetativen und später auch kognitiven Introjektion oder Verinnerlichung der Objektanteile werden folglich innere versorgende ,gute’ aber auch versagende ,böse’ Objekte ausgebildet. Das Ziel der kindlichen Entwicklung ist es letztlich, diese widersprüchlichen inneren Objekte zu konsolidieren und sie aus ihrer primären Identifizierung wieder in die Objektwelt zu entlassen.
Schizoide Dynamik: AI vs. ZI
Besetzung des antilibidinösen Ichs und Angriff gegen das gesamte Ich (Wendung gegen das Selbst als paranoide Verfolgung --> Verschlingen, Auflösen, Leere, Sinnlosigkeit) oder überwertige Besetzung des gesamten Ichs mittels Ausblendung der bedrohlichen Objektwelt (Psychose, Manie); kaum Ausbildung eines abgegrenzten libidinösen Ichs; Konfluenz
Orale Dynamik: AI vs. LI; LI braucht LO
Besetzung des antilibidinösen Ichs und Angriff gegen das gesamte Ich (Wendung gegen das Selbst als paranoide Verfolgung --> Verschlingen, Auflösen, Leere, Sinnlosigkeit) oder überwertige Besetzung des gesamten Ichs mittels Ausblendung der bedrohlichen Objektwelt (Psychose, Manie); kaum Ausbildung eines abgegrenzten libidinösen Ichs; Konfluenz
Orale Dynamik: AI vs. LI; LI braucht LO
Besetzung des antilibidinösen Ichs und Angriff gegen
das libidinöse Ich (Wendung gegen Anteile à Autoaggression) oder Besetzung des libidinösen Ichs mit Abhängigkeit
vom libidinösen Objekt (ständig ,saugende’ Inkorporation aus der Umwelt); Introjektion
Anale Dynamik: AI vs. LI; LI stößt AIO aus
Besetzung des antilibidinösen Ichs und Angriff gegen das libidinöse Ich (Wendung gegen Anteile --> Autoaggression) oder Besetzung des libidinösen Ichs mit Exkorporation des antilibidinösen Ichs (Aggression); Retroflexion, Projektion
Besetzung des antilibidinösen Ichs und Angriff gegen das libidinöse Ich (Wendung gegen Anteile --> Autoaggression) oder Besetzung des libidinösen Ichs mit Exkorporation des antilibidinösen Ichs (Aggression); Retroflexion, Projektion
Genitale Dynamik: AkAI+AkLI blenden LI und AI aus sowie AkLO+AkAO blenden LO und AO aus
Besetzung entweder des akzeptierten antilibidinösen Ichs oder des akzeptierten libidinösen Ichs gepaart mit dem akzeptierten antilibidinösen Objekt bzw. dem akzeptierten libidinösen Objekt unter ,Ausblendung’ wesentlicher existenzieller antilibidinöser sowie libidinöser Anteile (Selbstaufwertung und Fremdabwertung vs. Selbstabwertung und Fremdaufwertung); Egotoismus
Besetzung entweder des akzeptierten antilibidinösen Ichs oder des akzeptierten libidinösen Ichs gepaart mit dem akzeptierten antilibidinösen Objekt bzw. dem akzeptierten libidinösen Objekt unter ,Ausblendung’ wesentlicher existenzieller antilibidinöser sowie libidinöser Anteile (Selbstaufwertung und Fremdabwertung vs. Selbstabwertung und Fremdaufwertung); Egotoismus
Ödipale Dynamik: AkII+AkIO sind in reifem Kontakt
Besetzung des akzeptierten idealen Ichs und Kontakt mit dem akzeptierten idealen Objekt
Das wiederkehrende Erreichen des Therapeuten der objektbeziehungstheoretischen Entwicklungsstufe im Stadium der reifen Abhängigkeit (trotz eigener ‚Fixierungen’) macht meines Erachtens erst ein nachhaltiges tiefenpsychologisches und die Kontaktfähigkeit fokussierendes therapeutisches Arbeiten aus der schöpferischen Indifferenz heraus möglich.
Besetzung des akzeptierten idealen Ichs und Kontakt mit dem akzeptierten idealen Objekt
Das wiederkehrende Erreichen des Therapeuten der objektbeziehungstheoretischen Entwicklungsstufe im Stadium der reifen Abhängigkeit (trotz eigener ‚Fixierungen’) macht meines Erachtens erst ein nachhaltiges tiefenpsychologisches und die Kontaktfähigkeit fokussierendes therapeutisches Arbeiten aus der schöpferischen Indifferenz heraus möglich.
|
Abbildung: Gestaltzyklus (Mensch©) nach Blankertz & Doubrawa 2005; Ermann 2007; Müller 2001
|
Gestalttherapeutisch: Konfluenz im Vorkontakt
Abbildung: Kontaktmodus Konfluenz
/ schizoid (Mensch©)
|
Lebensalter: 0 bis 0,5 Jahre / Ich
und Welt
Psychoanalytisch: Intentional (schizoid); Nähe vs. Distanz (OPD)Gestalttherapeutisch: Konfluenz im Vorkontakt
Hintergrund: Das Subjekt erfährt
die Welt physisch mit den Sinnesorganen (Tasten, Spüren der Körpergrenzen,
Sehen, etc.) und bekommt aus seiner Umwelt dazugehörige Emotionen gespiegelt
und bildet somit ein grundlegendes Gefühlsbild seiner Umwelt und seiner Selbst
ab; es findet ein erstes Differenzieren zwischen einerseits belebten und mit
Gefühlen versehenen Dingen und andererseits unbelebten Dingen statt; es wird
die Grundlage für Empathievermögen, Perspektivübernahme und damit Denken in
einfachen Sinnzusammenhängen gelegt; Das Subjekt erfährt sich als existent in
seiner Identifikation mit seinem Objekt und genießt sein Sein
Störungen
durch drohenden Objektverlust: Das Subjekt strebt
mit seiner Sensorik nach der Welt und erlebt diese bei fehlender emotionaler
Wärme dann überwiegend sensorisch statt gefühlshaft als gefährlich kalt oder
gleichgültig (gestörtes Urvertrauen, physisch wie psychisch empfundene Ohnmacht
und Leere, grundlegender Seinsmangel, Getrenntheit und Identitätslosigkeit
gegenüber der Objektwelt); es entsteht eine empfundene tiefe Kluft zwischen dem
Subjekt und seiner als gefährlich erlebten verschlingenden Umwelt aber auch zwischen
sich selbst --> entweder (regressiv) das Subjekt verschmilzt mit seiner Objektwelt
und überbrückt somit künstlich die Kluft zwischen Subjekt und Objekt (extreme
Identifizierung mit dem Objekt bei gleichzeitiger Selbstaufgabe als
Verschmelzungswunsch) oder (progressiv) das Subjekt
zieht sich ängstlich, vermeintlich selbstgenügsam, gefühls- und gedankenarm (schizoid)
bis hin zu autistisch oder psychotisch aus Angst vor dem Verschlingen durch das
Objekt in sich selbst zurück und sorgt sich vor dem Verschmelzen seiner Umwelt
mit ihm (paranoider Kontakt mit Selbstteilrepräsentanzen als Flucht vor der gefährlichen
Objektwelt); die Objektwelt wird verzerrt oder ganz ausgeblendet; ohne ein Gefühl
für sich und den anderen (klare Trennung) bleibt eine Angst vor Selbstverlust;
massive Abgrenzung vom Objekt
Extreme
Polarisation zwischen Gut und Böse; Sein vs. Nichtsein; stark fragmentierte
Selbst- und Objektrepräsentanzen; diffuse bis keine Gefühlslegierung, -empfindung
und -regulierung; mangelnde Empathiefähigkeit; Subjektüberhöhung oder
Objektüberhöhung (magisch, esoterisch), um das Bedrohliche aus der Umwelt und
in sich selbst auf Distanz zu halten (selbstverletzend und autoaggressiv gegen
überschwemmende böse Teilselbst- und Teilobjektrepräsentanzen); extreme
Abhängigkeit von ,guten’ Selbstobjekten
Ziel der
Sozialisation: Verinnerlichung eines emotionalen warmen und willkommenen
Bezuges des eigenen Seins zur Welt; Entwicklung von Urvertrauen in die Welt sowie
von Urvertrauen in den Kern des eigenen Seins und Gutsein mit dem Empfinden des
Eingebundenseins in der sicheren Objektwelt (Hingabe an das Leben, an das
Subjekt); mit der Welt verbunden sein, ohne mit ihr verschmelzen zu müssen oder
vor ihr fliehen zu müssen (ohne primär-narzisstisch zur ganzen Welt zu werden
oder sich aus ihr zurückzuziehen); sich selbst und den anderen durch ein
grundlegend warmes Gefühl als ,ganz’ und konsistent erleben können; Grundlegung
eines ersten vertrauten Basisgefühls für sich selbst und den anderen und damit
auch die Grundlegung eines ersten Empathievermögens
Abbildung: Introjektion /
oral (Mensch©)
|
Lebensalter: 0,5 bis 1,5 Jahre / Ich und Du
Psychoanalytisch: Oral-Libidinös (borderline, depressiv); Selbstversorgung
vs. Versorgwerden (OPD), Stadium der frühkindlichen Abhängigkeit (inkorporierend-nehmend)Gestalttherapeutisch: Konfluenz/ erste Introjektion im
Vorkontakt, beginnende Kontaktaufnahme
Hintergrund: Das Subjekt verleibt sich die unbelebte
wie belebte Objektwelt durch Introjektion differenzierter verschiedener Objekte
ein, assimiliert sie und macht sie zu einem Teil seiner selbst; aus
verschiedenen undifferenzierten Teilobjektrepräsentanzen werden zunehmend konsistentere
kohärente Selbstrepräsentanzen; Das Subjekt verbindet sich mit seiner Objektumwelt
und genießt seine Verbundenheit im Schutze des noch überall gegenwärtigen Objektes
und geht darin auf
Störungen durch drohenden Objektverlust: Das Objekt
steht dem Subjekt nicht ausreichend durch eine bestätigende, sichere und
gebende Haltung zur Einverleibung zur Verfügung; das Subjekt fühlt sich abgelehnt,
leer, hungrig, bedürftig und verlassen --> entweder
(regressiv) das Subjekt zehrt das gesamte Objekt undifferenziert auf, umklammert
und verschlingt es in passiver oder auch fordernder Riesenerwartung, benutzt es
zur Seinsfüllung, verleibt sich statt dem vollständigen belebten Objekt nur wahllos
undifferenzierte Teilobjektrepräsentanzen und Ersatzobjekte ein (Surrogate wie
Suchtmittel werden introjiziert, inkorporiert) und ,schluckt’ alles
undifferenziert hinunter (auch vieles, was dem Organismus nicht gut tut) oder
(progressiv) das Subjekt überversorgt das Objekt, stellt sich
bedürfnislos, um unabhängig vom Objekt zu sein
Ohne ein wirklich vollständig verinnerlichtes gutes Objekt bleibt eine ständige ,klebrige’ Angst vor Objektverlust als Trennungsangst
Immer voll sein (versorgt werden) bedeutet, gut zu sein; die gute versorgende Teilobjektwelt einverleiben und sie aus den Teilen trotz böser Teile zum guten und ganzen Subjekt verwandeln (assimilieren), Versorgung (bis hin zu abhängig sein) vs. Autarkie (bis hin zu Verhungern und leer sein);
beginnende
differenzierende Teilselbst- und Teilobjekt-repräsentanzen; starke Abhängigkeit
von ,guten’ Selbstobjekten
Ziel der Sozialisation: Dem Subjekt steht ein Zuwendung und Versorgung spendendes
Objekt zur Verfügung; dieses gute versorgende Objekt wird erst überwiegend
passiv (oral-passiv Bekommen) und dann zunehmend differenziert aktiv
(oral-aggressiv Nehmen) einverleibt; durch das passive und bedingungslose Erhalten
der Versorgung entsteht ein grundlegendes Empfinden des Gut- und Erwünscht-
sowie des sicheren Gebundenseins; mit dem zunehmenden aktiven oralen ,Zubeißen‘
kann sich das Subjekt immer mehr aus eigenem Antrieb heraus differenziert seine
Versorgung einfordern und befriedigen (Regulation von Quantität und auch
Qualität); daran anschließend kann das Subjekt die Surrogate als Liebes- und
Versorgungssymbole (Muttermilch, Nahrung etc.) des guten und füllenden Objektes
wieder loslassen und sich selbst sowohl ohne dieses als auch ohne Schuldgefühle
als ein gutes und volles Subjekt empfinden; dadurch darf es sich auch vom
Objekt sicher entfernen; ,Selbstfüllung‘ durch echte Assimilation der
Objektwelt in echter Beziehung; das mitgeschluckte undifferenzierte ,Böse‘ differenzieren
und Überflüssiges ausstoßen und sich von ihm abgrenzen; Angst vor oral-aggressiver
Abgrenzung durch Überzeugung inneren Gutseins überwinden (Schuldgefühle
überwinden); selbst entscheiden (positionieren) dürfen, was assimiliert wird; die
verbindliche, differenzierte und liebende Person hinter dem rein versorgenden
Surrogat erkennen lernen
Lebensalter: 1 bis 3 Jahre / Ich und Selbst
Psychoanalytisch: Oral-Anal-Aggressiv (depressiv, narzisstisch, zwanghaft);
Unterwerfung vs. Kontrolle (OPD), Stadium der Quasi-Unabhängigkeit mit Zweiteilung
und Externalisierung des inkorporierten Objektes
Gestalttherapeutisch: Retroflexion/ Projektion in der
Kontaktaufnahme
Hintergrund: Das Subjekt strebt nach Autonomie, Selbstwirksamkeit und Kontrolle seiner Selbst und seiner Umwelt durch Verströmen und Behalten von Körperausscheidungen, motorischen/emotionalen Impulsen, sortierenden, ordnenden Handlungen sowie gedanklichen und sprachlichen Ausdrücken; es nutzt hierfür natürliche motorisch-aggressive Impulse und riecht, beschnuppert, ertastet und begreift sich selbst und seine Umwelt; es trennt erstmals und differenziert, was ihm aus der Umwelt zugetragen wird und lehnt es auch erstmals ab; Das Subjekt trennt sich zeitweise von seiner Objektumwelt und kann diese empfundene Getrenntheit sowie ich-zentrierte Selbstbestimmtheit als Macht und unabhängige Freiheit genießen; es entscheidet erstmals, was es an sich behalten und was davon los werden möchte
Gestalttherapeutisch: Retroflexion/ Projektion in der
Kontaktaufnahme
Hintergrund: Das Subjekt strebt nach Autonomie, Selbstwirksamkeit und Kontrolle seiner Selbst und seiner Umwelt durch Verströmen und Behalten von Körperausscheidungen, motorischen/emotionalen Impulsen, sortierenden, ordnenden Handlungen sowie gedanklichen und sprachlichen Ausdrücken; es nutzt hierfür natürliche motorisch-aggressive Impulse und riecht, beschnuppert, ertastet und begreift sich selbst und seine Umwelt; es trennt erstmals und differenziert, was ihm aus der Umwelt zugetragen wird und lehnt es auch erstmals ab; Das Subjekt trennt sich zeitweise von seiner Objektumwelt und kann diese empfundene Getrenntheit sowie ich-zentrierte Selbstbestimmtheit als Macht und unabhängige Freiheit genießen; es entscheidet erstmals, was es an sich behalten und was davon los werden möchte
Störungen durch drohenden Objektverlust: Das Subjekt wird in seinen autonomen
Strebungen nach Selbstwirksamkeit, Abgrenzung und Ruhe mittels Verströmen und
Behalten durch das kontrollierende, verbietende und Schuldgefühle machende Objekt,
von dem es abhängig ist, behindert und empfindet sich abhängig, klein und
ohnmächtig --> entweder (regressiv) das Subjekt verströmt sich
übermäßig gegenüber dem Objekt und behält so seine Macht und seinen Willen
durch aggressives Herangehen und Verströmen durch Angreifen, Zerstören, Kaputtanalysieren,
Aus- und Zerdrücken, offene Aggression, Ekel, emotionale und motorische Unruhe
bis zur Hyperaktivität und Impulsivität (unbegrenzte Menschenoffenheit,
Lautstärke, Verschenken, aggressives Durchsetzen, eindringende und sezierende
Neugierde); das Empfinden mangelnder Durchsetzungs- und Abgrenzungsfähigkeit
führt zur Angst vor Autonomie- Macht- und Selbstwirksamkeitsverlust oder (progressiv) das Subjekt behält übermäßig seine
natürlichen, autonomen, selbstwirksamen und aggressiven Impulsen gegenüber dem
kontrollierenden und in Abhängigkeit haltendem Objekt zurück durch gehemmtes
Zurückhalten, Sammeln, Sortieren, Wiederholungszwänge bei unabgeschlossenen
Prozessen; Leistungerbringen, Überanpassen, Sauberkeit,
Kategorisieren, leeres Denken, passive Aggressivität, emotionale und motorische
Starre, Menschenängstlichkeit, Geiz, leise, Anspannung, Opferrolle,
Desinteresse und verteidigt seinen Willen, seine Autonomie, sein Eigentum gegen
das fordernde, bestimmende, sich einmischende, Schuld einflößende und
eindringende Objekt
zunehmend
vollständige Subjekt- und Objektrepräsentanzen; Autonomie (Narzissmus,
Größenerleben, Macht) vs. Abhängigkeit (Minderwertigkeitserleben, Ohnmacht);
abnehmende Abhängigkeit von ,guten’ Selbstobjekten
Ziel der Sozialisation: Die Entwicklung einer Mischung aus einer einerseits
kraftvollen Handhabung sowie Leistung und einer andererseits zärtlichen
Behandlung sowie inneren Ruhe auf die belebte und unbelebte Umwelt (vgl. Wunderlich, 1996, S. 115); das kontrollierende,
übermächtige und infrage stellende Objekt in seine Grenzen oder gar zurückweisen,
um das Eigene zu behalten und dessen Forderungen von den realen Anforderungen
des Lebens trennen; die reale sinnhafte Macht und den notwendigen Willen des
anderen in Form von Selbstwirksamkeit übernehmen, also aus dem manchmal dominierenden
,Muss’ von außen ein echtes ,Will’ von innen machen; Vertrauen in eigene
natürliche Selbstregulationsprozesse; Affektkontrolle lockern; Annehmen eigener
lebenswichtiger, natürlicher aggressiver und abgrenzender Impulse; Loslassen
vom zwanghaften und selbstkontrollierenden Schaffen, Produzieren und Leisten
als Wiederholen nicht vollständig oder optimal beendeter Prozesse (Angst vor
Selbstwirksamkeits- und Kontrollverlust bei offenen oder unvollständigen
Prozessen führen zu Zwängen, Körperanspannungen, Selbst- und Fremdkontrolle)
Lebensalter: 3 bis 5 Jahre / Ich und Wir
Psychoanalytisch: Phallisch/Ödipal –
(hysterisch / narzisstisch); Odipale Konflikte (OPD), Stadium reifer Abhängigkeit (libidinöse und antilibidinöse Objekte wurden auf Eltern externalisiert und akzeptiert)
Gestalttherapeutisch: Egotoismus fast im Vollkontakt
(hysterisch / narzisstisch); Odipale Konflikte (OPD), Stadium reifer Abhängigkeit (libidinöse und antilibidinöse Objekte wurden auf Eltern externalisiert und akzeptiert)
Gestalttherapeutisch: Egotoismus fast im Vollkontakt
Hintergrund: Das Subjekt
von der Objektwelt in der eigenen Geschlechtsidentität und Identität allgemein stetig
und verbindlich stabil bestätigen lassen; Aufgehen in den anderen; aus
vorhergegangenen Triebbedürfnissen (aggressives motorisches Einverleiben und
Abgrenzen) werden sexuelle und zärtliche Impulse und Wünsche, die an Eltern
herangetragen werden (Integration der Sexualität in die Identität); aus Dyade
(Kind-Mutter/ Kind-Vater) wird Triade (Mutter-Vater-Kind) --> spielerische Begrenzung
eigener Macht/ Aggression bei gleichzeitigem zärtlichen Annehmen --> Akzeptanz der
Anderen --> Abhängigkeit von der Bewunderung und Bestätigung anderer
(dritter); Festigung der grundlegenden Identität (insbesondere der gleichgeschlechtlichen
Geschlechtsidentität); durch kognitive Reifung weicht das Lustprinzip dem Realitätsprinzip
(Überschauvermögen, planendes Handeln, Selbstbild, Gewissen, Reflexionsfähigkeit)
Störungen durch drohenden Objektverlust: Durch unzureichende gleichgeschlechtliche Präsenz (Rollenvorbild aber auch
notwendige Rivalität) sowie unzureichende gegengeschlechtliche Präsenz (Ziel
der erotischen Impulse und Wünsche und Annehmen der Zärtlichkeitsbedürfnisse
ohne Eingehen auf sexuelle Impulse) kommt es (regressiv) zum Verharren im
Lustprinzip durch die massive Verdrängung sexueller Impulse bis hin zur
gesamten Vorstellungswelt (infantiles magisches Denken, keine Exploration, kein
realistisches Selbst- und Fremdbild, narzisstische Selbstüberhöhung bzgl. der
Geschlechtsidentität)
Aufgrund
mangelnder Identifikationsmöglichkeiten mit dem gleichgeschlechtlichen
Elternteil (durch Rivalisieren und Annehmen) und mangelnder
Deidentifikationsmöglichkeit mit dem gegengeschlechtlichen Elternteil (Ablösen)
kann keine stabile Geschlechtsidentität ausgebildet werden --> Empfinden von
Minderwertigkeit hinsichtlich der Geschlechtsidentität à entweder
(regressiv) das Minderwertigkeitserleben wird kompensiert durch
Verharren im Infantilen, Irrationalen und Vorgeschlechtlichen (Verharren in der
infantilen Rolle des bedürftigen Prinzen/ der bedürftigen Prinzessin) oder
(progressiv) kompensiert durch pseudoerwachsene künstliche, entgrenzte,
phallisch-narzisstische/ verschlingend-hysterische Selbstaufwertung und
übertriebene Selbstdarstellung in der Geschlechtsrolle (einseitige Identifikation
mit dem überstarken Vater --> omnipotente,
phallische Pseudogeschlechtsidentität des rivalisierenden Don Huan oder der
hysterisch verschlingenden Diva/ Vamp)
Überbetonung (regressiver)
eigener infantiler, realitätsferner und grenzenloser Allmachtsfantasien wie in
einem Spiel ohne existenzielle verbindliche Grenzen mit dem Anspruch der sofortigen
Bedürfnisbefriedigung à zur Abwehr der Angst vor der bindenden und „verschlingenden Mutter“ (vgl. Dammasch, 2012) oder der Angst vor väterlicher
Entwertung („Kastration“)
relativ vollständige ganzheitliche Selbst- und Objektrepräsentanzen; konsistentes und kongruentes wenngleich stark einseitiges (auf Sexualität/ Geschlecht reduziertes) und überhöhtes Selbsterleben; geringe Abhängigkeit von ,guten’ Selbstobjekten
Ziel der Sozialisation: Die Festigung einer stabilen geschlechtlichen
Subjektidentität durch eigenes adäquates Machterleben (liebevolle Zuwendung der
Mutter bei gleichzeitig angemessener spielerischer und lustvoll betonter aber
auch Grenzen setzender sowie Halt gebender Rivalität mit dem Vater) ohne
permanentes Angewiesensein auf bestätigende und spiegelnde elterliche Objekte
und viele grandiose Gegenstände; befruchtendes Konkurrenzempfinden; Aufgeben
der infantilen magischen Allmachtfantasien durch Annehmen des Realitätsprinzips
infolge männlichen Rivalisierens und Begrenzens sowie weiblicher Akzeptanz des
Anderen (Triangulierung durch männliche Rivalität und gleichzeitige weibliche Beachtung
und Bindung); Loslösung von der Mutter unter Beibehaltung der Bindung zu ihr –
Unterstützung der Loslösung durch emotional haltendes und spielerisches,
körperbetontes und aggressives Rivalisieren mit dem Vater à Eingehen verbindlicher
Beziehungen und Annehmen realer existenzieller Begrenztheit (die eigene Macht und
Freiheit sind begrenzt; Vater symbolisiert Macht/ Vernunft/ Realitätsprinzip/
Über-Ich und begrenzende Umwelt, schützt aber auch vor dieser; man ist ein Teil
unter vielen anderen)
Lebensalter: ab 6 Jahre
Psychoanalytisch: ausgereifte Geschlechtsidentität
Gestalttherapeutisch: Vollkontakt/ Selbst/ Loslassen der Identität
Literatur
Anger, H., Schön, T. (2012). Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen, S. 49–65, Bergisch Gladbach: Andreas Kohlhage
Abraham, K. (1999). Psychoanalytische Studien. Bd. I, S.
165–226, Gießen: Psychosozialverlag
Arbeitskreis OPD (Hrsg.).
(2006). Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik OPD-2, S. 97 f.,
206–253, 1. Aufl., Bern: Hans-Huber, Hogrefe AG
Blankertz, S., Doubrawa, E. (2005). Lexikon der
Gestalttherapie, S. 122–124, Originalausgabe,
Wuppertal: Peter Hammer Verlag
Brisch, K. H. (2010), Bindungsstörungen
– Von der Bindungstheorie zur Therapie, S. 36, 10. Aufl., Stuttgart:
Klett-Cotta
Dammasch,
F. (2010). Ritter ohne Schwert – unruhige aggressive Jungen und ihre inneren
Beziehungsmuster. In K. H. Brisch, T. Hellbrigge (Hrsg.), Bindung, Angst und
Aggression, (S. 72–83). Stuttgart: Klett-Cotta
Dreitzel,
H. P. (2004). Gestalt und Prozess, S. 112–118, Abb. 15, 17,
Bergisch Gladbach: Edition Humanistische Psychologie (EHP)
Ermann,
M (2007). Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, S. 53–63, 5.
überarbeitete Aufl., Stuttgart: Kohlhammer
Fairbairn,
W. R. D. (2007). Das Selbst und die inneren Objektbeziehungen, S.
7 f., 89–170, 171–184, 205–211, 257–266, Gießen:
Psychosozialverlag
Goodman, P., Hefferline, R. F., Perls, F. S.
(2006). Gestalttherapie. Grundlagen der Lebensfreude und Persönlichkeitsentfaltung,
S. 312–322, 7. neu übersetzte Aufl., Klett-Cotta
Hügli, A. & Han, B. C. (2001). Heideggers
Todesanalyse. In T. Rentsch (Hrsg.), Klassiker Auslegen, Bd. 25. Martin
Heidegger, Sein und Zeit (S. 138). Berlin: Akademieverlag
Kernberg, O. F. (1998). Psychodynamische
Therapie bei Borderline-Patienten, S. 98 f., 2. überarbeitete Aufl., Bern:
Hans Huber
Klußmann, R. (1998). Psychosomatische
Medizin, S. 9–23, 4. Aufl., Berlin,
Heidelberg: Springerverlag
Mentzos, S. (2005). Neurotische
Konfliktverarbeitung, S. 26, 42–50, 19. Aufl., Frankfurt am Main: Fischer
Verlag
Müller, B. (2001). Ein kategoriales Modell
gestalttherapeutischer Diagnostik. In R. Fuhr, M. Sreckovic, M. Gremmler-Fuhr
(Hrsg.), Handbuch der Gestalttherapie,
(S. 647–670). Göttingen: Hogrefe-Verlag
Reich, W. (2006). Charakteranalyse, S. 220–372, 405–409, 418–439, 449–469, 8.
überarbeitete Aufl., Köln: Kiepenhauer & Witsch
Sartre, J. P. (2006). Das
Sein und das Nichts, S. 833–848, 905, 970,
986–1052, 12. Aufl., Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuchverlag
Schultz-Hencke, H. (1951). Lehrbuch
der Analytischen Psychotherapie, S. 16–39, 272–294 ,
Stuttgart: Georg Thieme
Wunderlich, G. (1996). Neurosen – Ein praktischer Leitfaden, S. 38–177, 2. Aufl., Stuttgart: Kohlhammer
1 Kommentar:
Kompliment für die tolle Seite - sehr aufwändig und eine wirklich gute ergänzung/gegenüberstellung psychoanalytischer modelle und gestalttherapeutischer adaptation bzw. neuformulierung - gruss aus graz, michael gloggnitzer (iGT)
Psychotherapie-Gestalttherapie in Graz
Kommentar veröffentlichen